Zwischen Hoffnung und Ernüchterung

Der Hamburger SV in der Vorschau

Die Enttäuschung in Hamburg war groß, als die Rothosen am vergangenen Wochenende gegen Tabellenführer Holstein Kiel Punkte lassen mussten. Das 0:1 tat nach dem Sieg der Fortuna aus Düsseldorf zuvor besonders weh. In Braunschweig will das Team von Chefcoach Steffen Baumgart nun noch die Chance auf den Relegationsplatz wahren, um weiterhin die Rückkehr in die Bundesliga anzuvisieren. Der HSV in der Vorschau.

Matchfacts:

  • Wiedersehen von zwei Weggefahährten: Eintracht-Coach Daniel Scherning war etwas mehr als vier Jahre an der Seite von HSV-Trainer Steffen Baumgart beim SC Paderborn 07. Zusammen führten sie die Ostwestfalen von der 3. Liga in die Bundesliga. Nun sehen sie sich das erste Mal seit fast drei Jahren als Kontrahenten an der Seitenlinie wieder.
  • In der Hinrunde standen für die Löwen nach 13 Spielen 26 Gegentore zu Buche, in der Rückrunde sind es aktuell nur zehn. Gab es bis Weihnachten 2023 in der Hinrunde nur ein einziges Zu-Null-Spiel, gelang das 2024 schon fünfmal, allein dreimal in den vergangenen vier Partien. 
  • Von den aktuellen Zweitligisten ist die Eintracht nur gegen den HSV bisher in der 2. Bundesliga ohne Punktgewinn. In fünf Duellen siegten die Hamburger fünfmal. Der letzte Pflichtspielsieg gegen die Elbkicker gelang dem BTSV vor etwas mehr als zehn Jahren in der Bundesliga (4:2 im Februar 2014). Domi Kumbela erzielte damals einen Dreierpack vor heimischer Kulisse.
  • Die Hamburger weisen den höchsten Expected-Goals-Wert der Liga auf, denn mit 59,7 erwarteten Toren steht man in dieser Rubrik an der Spitze. Diese nutzte man allerdings weniger effizient, ließ man doch nach diesem Wahrscheinlichkeitswert 4,7 Tore liegen. Genauso geht es übrigens der Eintracht, die statt erwarteten 44,2 nur 33 Treffer in den Maschen unterbrachte.
  • Keine Mannschaft hat in der aktuellen Saison mehr Pech mit dem Aluminium als der HSV. Die Hamburger setzten das Leder schon satte 20-mal an den Torrahmen. Am anderen Ende der Tabelle stehen die Blau-Gelben, die erst viermal am Querbalken oder Pfosten scheiterten.

Unter Beobachtung:

  • Robert Glatzel
    Der Angreifer ist und bleibt der wichtigste Mann für den Torabschluss bei den Gästen. Seit 2021 hat keiner beim HSV mehr Tore erzielt, auch in seiner dritten Spielzeit bei den Rothosen führt der Angreifer im Moment die interne Torschützenliste mit 16 Treffern an. Insgesamt 22 Großchancen hatte Glatzel bisher in der Liga auf dem Fuß, 84 der HSV-Torschüsse kommen von dem Stürmer. 
  • Jonas Meffert
    Der Mittelfeldakteur des HSV ist die Laufmaschine der Hansestädter. Der 29-Jährige toppt jeden Spieler des HSV und der Löwen und macht auf den zweitplatzierten Anton Donkor sogar noch 24 Kilometer gut. Zudem spielt der gebürtige Kölner auch körperlich, beging er doch am meisten Fouls beim Team von Steffen Baumgart (35).
  • Immanuel Pherai
    Es ist die erste sportliche Rückkehr an die Hamburger Straße für Manu, seit seinem Wechsel an die Elbe im Sommer. Der Niederländer war in der letzten Saison mit seinen neun Toren und fünf Torvorlagen ein ganz entscheidender Faktor beim Klassenerhalt des BTSV. Im Hinspiel erzielte er gegen die Eintracht seinen ersten Pflichtspieltreffer für seinen neuen Arbeitgeber.
  • Miro Muheim
    Niemand hat beim HSV häufiger den Ball als der Schweizer. 1910 Ballbesitzphasen sind Top-Wert bei den Gästen. Zudem ist er auch noch torgefährlich und besitzt eine beeindruckende Torabschluss-Effizienz. 3,9 von seinen fünf Saisontoren erzielte der Linksverteidiger aus Positionen, in denen laut des Expected-Goals-Wert ei Treffer mehr als unwahrscheinlich war. Nach Ignace Van der Brempt ist er übrigens der meistgefoulte Akteur der Hamburger.

Der Coach:
Erfolgscoach Steffen Baumgart übernahm die Hamburger im Februar von Tim Walter und brachte eigentlich einige Vorschusslorbeeren mit an die Elbe. So führte er gemeinsam mit Daniel Scherning als sein Co-Trainer den SC Paderborn 07 nach dem Absturz in die 3. Liga zurück in die Bundesliga und schaffte mit dem 1. FC Köln gar den Sprung auf die internationalen Plätze. Der Rostocker hat die UEFA-Pro-Lizenz inne und kickte einst als Spieler im Oberhaus des deutschen Fußballs. Ganze 225 Erstligapartien kann der heute 52-Jährige vorweisen, absolviert hat er die beim VfL Wolfsburg, FC Energie Cottbus und dem F.C. Hansa Rostock. Seine Karriere beendete Baumgart übrigens ganz stilecht nicht auf dem höchsten Niveau, sondern 2009 in der Oberliga bei Germania Schöneiche. 

Die Lage:
Es war ein Rückschlag, den der HSV am vergangenen Wochenende im Kampf um die vorderen Plätze hinnehmen musste. Gegen den Tabellenführer Holstein Kiel unterlagen die Rothosen mit 0:1 und mussten damit den ärgsten Konkurrenten Fortuna Düsseldorf ziehen lassen. Die Rheinstädter stehen nach zuletzt starken Leistungen seit Samstagabend nun sechs Zähler vor den Hamburgern auf dem Relegationsplatz um den Aufstieg in die Bundesliga. „Mit der Niederlage und der Ausgangslage muss ein Wunder her. Aber solange noch etwas möglich ist, muss man bis zum Ende immer alles versuchen“, erklärte Stürmer Robert Glatzel enttäuscht nach dem Duell.  Für die letzte Hoffnung müssen jetzt nicht nur die eigenen Aufgaben konsequent erfüllt, sondern es muss auch auf Ausrutscher der Fortuna gehofft werden. Der HSV ist wieder voll und ganz in der Verfolgerrolle angekommen. Dabei sollte nach dem Trainerwechsel Ende Februar alles anders werden. Der neue Chefcoach gewann auch gleich seinen Einstand mit 1:0 gegen die SV Elversberg, doch direkt darauf folgten zwei Niederlagen gegen Osnabrück und Düsseldorf. Der Rückschlag am 30. Spieltag war nun zwar erst die erste Niederlage seit vier Spielen, doch dass die Konkurrenz nun mit einem deutlich besseren Torverhältnis enteilt, stellt den HSV vor eine große Herausforderung. Und nun müssen die Gäste auch auf Offensivmann László Bénes verzichten, der mit muskulären Problemen ausfällt. Er lieferte bisher die drittmeisten Vorlagen aller Zweitliga-Spieler und steuerte nach Angreifer Robert Glatzel die zweitmeisten Tore beim HSV bei (13 an der Zahl).

Foto: Stephanie Zerbe