Verkehrte Welt in der Hauptstadt

Hertha BSC im Fokus

„Die Leistung war okay, aber wir brauchen Siege“ – das war die Aussage von Hertha-Trainer Stefan Leitl nach der Niederlage gegen Schalke am vergangenen Wochenende. Tatsächlich hat die Mannschaft aus der Hauptstadt nur vier Zähler aus den bisherigen sieben Rückrundenpartien geholt und hat damit nur noch drei Punkte Abstand auf die Eintracht und damit auf den Relegationsrang. Es heißt für die Berliner auf einmal Abstiegsängste anstatt Aufstiegsträume. 

Matchfacts

  • Das Berliner Spiel zeichnet sich besonders durch ihre Lauffreude aus: In den Kategorien Sprints und intensive Läufe gehören sie jeweils zu den drei besten Mannschaften der Liga. Großes Engagement auf dem Rasen kann man ihnen folglich nicht absprechen.
  • Mit der Kugel am Fuß weist die Hertha ebenfalls überzeugende Werte auf. Mit durchschnittlich 53,2 Prozent Ballbesitz kontrollieren sie das Geschehen auf dem Grünen lieber selbst und auch die Passquote von 85,2 Prozent bezeugt dies zusätzlich.
  • Für ihr Angriffsspiel wählt die Mannschaft von Stefan Leitl häufig den Weg über die Außenbahnen. 297 Flanken segelten in dieser Saison bereits in den Strafraum ihrer Gegner. Allerdings konnte das Team in Blau-Weiß im Anschluss erst dreimal über einen Treffer jubeln. Dies unterstreicht das größte Problem der Berliner: Nur 42,9 Prozent ihrer Großchancen finden den Weg ins Tor. Einzig Münster weist einen noch niedrigeren Wert auf.
  • Auf der anderen Seite zeigen sich die Gegner der Hertha deutlich effizienter. Zwar ließ der Tabellenviertzehnte die zweitwenigsten Torschüsse zu, doch trotzdem mussten sie 42 Gegentore hinnehmen. Auch von den 93 Versuchen von außerhalb des Strafraums fanden neun den Weg ins Netz des Berliner Sport-Clubs. Keine Mannschaft wurde häufiger mit Schüssen aus der Distanz überwunden.
  • Zudem zeigt sich die alte Dame anfällig bei ruhenden Bällen. 15-Mal mussten die Berliner Torhüter nach Standards bereits hinter sich greifen - das ist ligaweit der höchste Wert, genauso wie der daraus resultierende Anteil von 35,7 Prozent Gegentreffern nach diesen Situationen.

Unter Beobachtung

  • Fabian Reese
    Fabian Reese gilt als der Hoffnungsträger für die Berliner. Im Sommer verlängerte er seinen Vertrag in der Hauptstadt noch, um mit der Hertha in die Bundesliga zurückzukehren. Nach einer langen Verletzungspause kehrte er jedoch erst zur Rückrunde vollständig auf den Platz zurück und muss nun helfen, den Klassenerhalt zu sichern. In den vergangenen sechs Partien erzielte er die einzigen beiden Tore der Berliner.
  • Ibrahim Maza
    Das große Nachwuchstalent in Blau-Weiß. Seit 2017 durchlief der gebürtige Berliner die Nachwuchsmannschaften der Hertha, bevor er den Sprung zu den Profis schaffte. In dieser Saison absolvierte der 19-Jährige alle bisherigen 25 Partien, in denen ihm acht Scorerpunkte gelangen. Sein großer Einsatz wird zudem erkenntlich daran, dass er in die zweitmeisten Dribblings und Zweikämpfe geht.
  • Michaël Cuisance
    Mit sechs Treffern und vier Vorlagen ist der Franzose der Topscorer der Berliner. Dafür zielte er bereits 52-mal auf das gegnerische Tor, ebenfalls höchster Wert bei der Mannschaft von Stefan Leitl. Doch er arbeitet auch auf dem gesamten Rasen für sein Team, so bestreitet er die meisten Zweikämpfe und überbrückt die größte Distanz unter seinen Mannschaftskameraden.

Die Lage

Die laufende Saison hatte man sich in der Hauptstadt sicherlich ganz anders vorgestellt. In der zweiten Spielzeit nach dem Abstieg in die 2. Bundesliga war geplant, die Aufstiegsränge ins Visier zu nehmen. Doch statt sich langfristig oben zu behaupten, musste die Alte Dame den Blick in den vergangenen Wochen immer weiter nach unten richten. Aus den vergangenen 15 Partien holte die Hertha lediglich neun Zähler und hat damit nur noch drei Punkte Abstand auf den Relegationsrang. Nach zwischenzeitlich vier Niederlagen in Folge sahen sich die Verantwortlichen gezwungen, die Reißleine zu ziehen und Cheftrainer Cristian Fiel nach nur sieben Monaten wieder zu entlassen. Als Nachfolger sollte Stefan Leitl nun die Wende einleiten. Doch auf ein Unentschieden gegen den 1. FC Nürnberg folgte bei der SV Elversberg schon die nächste Niederlage. Im Heimspiel gegen den FC Schalke 04 präsentierten die Berliner zwar die nötige Leistungssteigerung, doch auch hier reichte es am Ende nicht für einen Punktgewinn. Geschäftsführer Thomas E. Herrich äußerte sich nach dem Spiel zur komplizierten Lage des Vereins: „Klar hatten wir ursprünglich andere Ambitionen. Deswegen haben wir mit dem Trainerwechsel bereits auf die anhaltende Situation reagiert. Aber natürlich geht nicht alles von heute auf morgen“. Allerdings bleibt die Hertha so zunächst die schwächste Mannschaft in der Rückrunde mit nur vier Zählern. Immerhin wird es der Mannschaft von Stefan Leitl nun recht sein, dass das anstehende Duell gegen die Eintracht in Braunschweig stattfindet. In der Ferne holte die Alte Dame mehr als doppelt so viele Punkte wie zu Hause. 

Foto: DFL/Getty Images/Boris Streubel