"Die Kombination aus Fasten und Belastung ist eine Extremsituation"

Der Fastenmonat Ramadan bei den Eintracht-Profis

Der Fastenmonat Ramadan hat nicht nur für Muslime weltweit eine große religiöse Bedeutung, sondern beeinflusst auch das tägliche Leben und die Leistungsfähigkeit von Sportlern, insbesondere im Profifußball. Während der intensiven Wochen des Fastens stellen sich Athleten großen Herausforderungen, um ihre spirituellen Verpflichtungen mit den physischen Anforderungen des Profisports in Einklang zu bringen. Wir werfen einen Blick auf die Auswirkungen des Ramadan auf den Fußball bei der Eintracht. Ermin Bicakcic, Sanoussy Ba und Athletiktrainer Janning Michels teilen ihre Erfahrungen und Perspektiven darüber, wie sich das Fasten mit Training, den Spielen und der körperlichen Fitness kombinieren lässt.

Zunächst müssen wir aber natürlich klären, was sich genau hinter dem Ramadan verbirgt. Der Ramadan ist der neunte Monat im islamischen Kalender und gilt als der heiligste Monat für Muslime. Während dieses Monats fasten gläubige Muslime von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang, verzichten also auf Essen, Trinken und andere sinnliche Bedürfnisse. Das Fasten ist eine Form der Selbstdisziplin und ein Akt der Nähe zu Gott. Es soll das Mitgefühl für die Bedürftigen fördern und die persönliche Spiritualität stärken. Der Ramadan endet mit dem Fest des Fastenbrechens, dem Eid al-Fitr, bei dem Familien und Gemeinden zusammenkommen, um das Ende des Fastens zu feiern und sich gegenseitig zu beschenken. Bei den Blau-Gelben gibt es mehrere Spieler, die als gläubige Muslime trotz ihrer Tätigkeit als Fußballprofi den Ramadan praktizieren. Sie alle stellen sich während dieser Zeit enormen Herausforderungen, um den Körper für die nächsten Trainingseinheiten oder Spiele fit zu halten. Die Verbindung zwischen Glauben und Beruf verlangt von den Spielern eine hohe Disziplin und ein gutes Zusammenspiel mit ihren Trainern und medizinischen Teams. 

“Kopfsache” und bewusste Ernährung

Mit seinen 35 Jahren kann Kapitän und Verteidiger Ermin Bicakcic bereits auf eine erfolgreiche Karriere im Fußball zurückblicken. Ein Grund für seine uneingeschränkte Motivation und seinen unbedingten Willen auf und neben dem Platz ist der Glaube. “Für mich ist meine Religion einer der wichtigsten Bestandteile meines Lebens. Wegen der sehr großen Bedeutung, die ich ihr beimesse, muss ich gar nicht schauen, wie ich sie in meinen Alltag integriere. Meine Religion ist zu jeder Zeit ein sehr bedeutsamer Teil von mir”, erklärt der gebürtige Bosnier. Auch für Defensivakteur Sanoussy Ba spielt der persönliche Glaube eine übergeordnete Rolle. Der 21-Jährige erläutert: “Er gibt mir Kraft und gerade während des Fastenmonats auch einen Boost für den Kopf.” Der Ramadan nimmt dabei einen wichtigen Faktor für die beiden Löwen ein, da vor allem die persönliche Weiterentwicklung der eigenen mentalen Fähigkeiten mit im Vordergrund steht. Willenskraft, Ausdauer und Durchhaltevermögen werden geformt. “Man merkt vor allem in diesen Wochen, welche entscheidenden Aspekte das Mindset und der Glaube sind. Wenn man weiß, dass man Gott an seiner Seite hat, kann man alles bewältigen. Das ist gerade während des Ramadans spirituell noch präsenter”, beschreibt Bicakcic. 

Doch wie wirkt sich das tägliche Fasten auf den Alltag der Profis aus? Ba probiert während dieser Zeit seine Routine und täglichen Trainingsschritte beizubehalten. “Im Training finde ich es eigentlich nicht schlimm. Die ersten Tage war es etwas anstrengender, aber man hat sich schnell daran gewöhnt. Gerade bei frühen Trainingseinheiten braucht man nicht unbedingt etwas zu Trinken.” Bei der Ernährung nach Sonnenuntergang achtet er jedoch schon darauf, dass nahrhafte Kost mit vielen Kohlenhydraten wie Nudeln die nötige Energie gibt. Zudem steht er gelegentlich auch nachts auf, um vor dem Sonnenaufgang noch eine Mahlzeit zu sich zu nehmen. Eisen-Ermin legt darüber hinaus auch viel Wert auf die Ruhephasen des Körpers und steigert diese während der Wochen des Ramadans. “Ich möchte so wenig Energie wie nötig verschwenden, um mir diese für das Training aufzusparen und dann auf dem Feld performen zu können. Die Kombination aus Fasten und körperlicher Anstrengung ist natürlich eine Extremsituation.” Hinsichtlich des Fastenbrechens und der Nahrungsaufnahme isst der Nationalspieler bewusster. “Ich esse von der Menge weniger, aber qualitativer. Ich achte darauf, dass alles dabei ist, was meine Energiespeicher wieder auffüllt. Es ist eben ein anderer Ablauf und eine andere Herangehensweise, was die gewohnte Ernährung betrifft.”

Negative Auswirkungen und wenig Anpassungsmöglichkeiten

Athletiktrainer Janning Michels arbeitet auf und neben dem Platz mit den Profis zusammen und macht sich täglich ein Bild vom Fitnesszustand und dadurch auch von den Auswirkungen des Fastens auf die sportlichen Leistungen der Spieler. Er unterscheidet bei seinen Beobachtungen dabei zwischen verschiedenen Athletentypen, denn den einen beeinflusst die Umstellung individuell mehr, den anderen weniger. “Vom Prinzip her, hat es allerdings leider nur negative Auswirkungen auf die Leistung. Durch die begrenzte Flüssigkeits- und Energieaufnahme schwindet die Ausdauerleistungsfähigkeit sowie die Fähigkeit, Kraft zu regenerieren und schnell und explosiv zu sein. Grundsätzlich ist man auch schneller ermüdet, man merkt also den Reiz im Training schneller als normalerweise. Auch der Schlafrhythmus ist durch das nächtliche Aufstehen zur Nahrungsaufnahme gestört. Insgesamt geht die Gesamtbelastung rauf und auch die mentale Belastung leidet unter den Nebenwirkungen.” Die Profis sind durch das Fasten also anfälliger für Verletzungen. Im Idealfall müssten Trainingseinheiten kurz vor der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme stattfinden, um eine anschließende Dehydration zu verhindern. Dadurch könnten die Spieler ihre Energie- und Flüssigkeitshaushalte direkt wieder auffüllen, die Regeneration unterstützen und den Entzündungsprozess durch den Trainingsreiz lindern. Das ist allerdings aufgrund der Zeiten für das Fastenbrechen im Tagesablauf der Löwen schwierig umzusetzen. Da dies zumeist sehr früh morgens oder spät abends der Fall ist, finden im Fußball kaum oder nur sehr wenige Anpassungen statt.

“Wir haben vorher mit jedem Spieler gesprochen, wie intensiv er fastet. Da gibt es verschiedene Ansätze, sodass beispielweise bei Auswärtsfahrten und Spieltagen das Fasten gebrochen wird oder auch nur zu den erlaubten Zeiten. Rücksicht nehmen wir in dem Maße, dass wir die Spieler in den Gruppeneinheiten morgens in die späteren Gruppen einteilen, sodass sie noch etwas mehr Schlaf bekommen können.” Im Training selbst auf dem Rasen oder im Kraftraum wird dann aber nicht unterschieden. In wöchentlichen “Frischetests” wird die Fitness der Spieler überprüft, ob die Regeneration gut genug für eine Vollbelastung ist. Zeigen sich dort Auffälligkeiten, wird der jeweilige Spieler vorerst rausgenommen. Das ist ein normaler wiederkehrender Prozess, der während des Ramadans aber auch seine Wirkung zeigt, um individuelle Anpassungen vorzunehmen. Empfehlungen hinsichtlich der Ernährung braucht es laut Michels nicht. “Von den Jungs macht das keiner zum ersten Mal.”

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Ramadan für die Spieler eine große Herausforderung darstellt, sowohl aus religiöser als auch aus sportlicher Sicht. Während das Fasten die körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen kann, insbesondere in Bezug auf Ausdauer und Regeneration, bietet es gleichzeitig eine wertvolle Gelegenheit für persönliche und geistige Weiterentwicklung. Trotz der Herausforderungen finden die Spieler durch bewusste Ernährung, angepasste Trainingszeiten und mentale Stärke Wege, ihre Leistungen zu optimieren und ihre Ziele zu erreichen.

Foto: imago images/Beautiful Sports