Henn: "Dass mich der Fußball komplett loslässt, halte ich für ausgeschlossen"

Ex-Löwe Matthias Henn im Interview

2015 zog sich Matthias Henn zum letzten Mal das blau-gelbe Trikot der Löwen an. Er suchte beim FC Hansa Rostock nach einer neuen Herausforderung und verließ die Eintracht, um an die Ostseeküste zu ziehen. Im Gepäck hatte der Verteidiger acht Jahre voller Emotionen und Erinnerungen an den Fußball aus der Löwenstadt. Vor fast 14 Jahren wechselte der damals 22-jährige vom 1. FC Kaiserslautern an die Oker. In seiner Zeit bei den Blau-Gelben feierte er unteranderem die Drittliga-Meisterschaft und den Aufstieg in die 1. Bundesliga. Mittlerweile hat Matthias Henn seine Fußballkarriere beendet und konzentriert sich auf seine berufliche Laufbahn nach dem Profisport. Im Interview mit Eintracht.com spricht er über seine neuen Ziele im Beruf, seine Arbeit in der Geschäftsstelle und dem NLZ und die schönste Erinnerung in den Farben der Eintracht.

Hallo Matze, Du hast vor knapp zwei Jahren deine Fußballschuhe an den Nagel gehangen. Wie schwer ist Dir die Umstellung gefallen?

Matthias Henn: "Dass es eine Umstellung ist, steht völlig außer Frage. Bei mir war es ja leider verletzungsbedingt. Daher musste ich letztendlich diesen Schritt gehen. Schon zu meiner Braunschweiger Zeit war es so, dass mich mein zweiter Kreuzbandriss 2011 recht lange lahm gelegt hat. Ich musste die Jahre danach schon sehr viel Aufwand betreiben, um das alles leistungstechnisch aufrecht zu erhalten. Die letzten zwei Jahre meiner Karriere, in denen ich dann auch bewusst ein oder zwei Ligen tiefer gegangen bin, habe ich mich sehr damit auseinandergesetzt, wie es dann mal ist, wenn man einfach nicht mehr so regelmäßig trainiert. Von daher habe ich den Prozess des „Schuhe an den Nagel hängen“ schon zwei Jahre vorher eingeleitet. Insofern ist es mir auch gar nicht so schwer gefallen, muss ich gestehen.“

Mittlerweile hast Du Dich anderen Aufgaben gewidmet und machst ein Fernstudium. Worum geht es genau und in welche berufliche Zukunft zieht es Dich?

Henn: "Aktuell mache ich ein Fernstudium zum Sportfachwirt über die IST in Düsseldorf. Es ist im Grunde eine berufliche Umschulung, wie es Dennis Kruppke damals auch gemacht hat, als er aufhören musste. Deswegen durchlaufe ich ja auch gerade die verschiedenen Bereiche bei der Eintracht. Ich war lange im NLZ, dann auch im Marketing, Sponsoring und der Presseabteilung. Es gibt aber auch noch andere Bereiche, die ich mir genauer anschauen möchte und das dient so ein bisschen dazu, einen Eindruck zu gewinnen, was überall zu tun ist und was zu mir passen könnte. Wenn ich den Abschluss dann bestehe, dann glaube ich schon, dass man in vielen Sportorganisationen und Sportunternehmen etwas Organisatorisches oder Administratives im BWL-Bereich übernehmen kann. Wie das jetzt danach aber konkret aussieht, steht noch ein bisschen in den Sternen.“

Wie wichtig ist es für ein Profifußballer sich schon während des Profidaseins Gedanken über die Zeit nach dem Karriereende zu machen?

Henn: "Grundsätzlich erachte ich das schon als sehr wichtig. Bei mir war es auch so, dass ich das recht lange belächelt habe, das würde ich jetzt in meinem Alter und mit meinen Erfahrungen allerdings auch früher angehen. Hinten raus ist man immer schlauer. Mir braucht eigentlich kein Profifußballer zu erzählen, er hätte keine Zeit für solche Dinge. Selbst wenn es jeden Tag nur eine Stunde ist, die man sich mit einem Fernstudium oder ähnlichem beschäftigt, dann hat man schon mehr gewonnen, als wenn man den ganzen Tag auf der Couch Netflix schaut. Ich finde es schon wichtig, dass man sich als Aktiver damit auseinandersetzt. Ich weiß aber auch, dass es viele „belächeln“ und es so ein bisschen vor sich her schieben. Man muss nur mal auf die Zeit schauen, die vergeht. Ich habe im vergangenen Jahr damit begonnen und habe mein Abitur 2004 gemacht. Das sind 16 Jahre, in denen ich mich schulisch und in Richtung Studium nicht weitergebildet habe. Die Umgewöhnung, sich dann jeden Tag mehrere Stunden an den Schreibtisch zu setzen, war extrem. Von daher würde ich empfehlen, sich frühzeitig Gedanken zu machen. Es sagt ja keiner, dass man dafür das Training oder den Fußball vernachlässigen soll, das steht natürlich an erster Stelle. In meinen Augen spricht aber nichts dagegen.“

Aktuell schaust Du bei der Eintracht in die verschiedenen Bereiche des Vereins und der Geschäftsstelle rein. Was konntest Du bisher für Eindrücke gewinnen?

Henn: "Die aktuelle Zeit ist leider alles andere als normal. Das hat auch Auswirkungen auf das Berufsleben im Nachwuchsleistungszentrum sowie auch in der Geschäftsstelle. Die Situation überstrahlt das Ganze so ein bisschen. Ich war lange im NLZ und hab dort viel im organisatorischen Bereich übernommen und mir einiges bei Dennis Kruppke anschauen dürfen. Danach war ich ein paar Monate im Marketing und Sponsoring. Da hat man dann schon gemerkt, dass Corona die Arbeitsumstände sehr beeinflusst und ich bin ja auch gerade in einer Position, in der ich vielen Leuten über die Schulter schauen muss, um neue Dinge zu lernen und nachvollziehen zu können. Das ist momentan auch nicht so einfach. Als ich im Bereich „Medien & Kommunikation“ war, war die Arbeit nicht ganz so beeinflusst, denn die Kommunikation und die Berichterstattung muss ja trotzdem erfolgen. Das war so der einzige Bereich, in dem es etwas normaler war. Als Nächstes möchte ich definitiv aber auch nochmal in die Arbeit des e.V. einsteigen.“

Welche Aufgabenbereiche haben Dich besonders interessiert?

Henn: "Es ist sicher interessant zu sehen, was alles in den verschiedenen Abteilungen gestemmt werden muss, beispielsweise in der Presseabteilung mit dem Stadionmagazin, der Berichterstattung und der Flexibilität. Man kann sich ziemlich viel vornehmen, doch am Ende kann irgendetwas dazwischen kommen, dass den Plan durcheinander wirft und man muss kurzfristig reagieren. Was ich sehr interessant gefunden habe, war meine organisatorische Arbeit zusammen mit Slavomir Lukac im NLZ. Das sind alles Dinge, über die du dir als Profifußballer gar keine Gedanken machst. Was ist zu tun, wenn ein Freundschaftsspiel stattfinden soll? Es muss angelegt werden, der Schiedsrichter und der Platz muss organisiert werden, dann noch die Kabinen, der Mannschaftsbus…das ist schon sehr viel. In der Organisation musst du einfach an alles denken, auch was die Ergebnismeldung danach angeht. Das war schon komplex, aber sehr interessant.“

Könntest Du Dir eine längerfristige Arbeit im Verein grundsätzlich vorstellen?

Henn: "Klar, irgendwo dem Fußball treu zu bleiben und vielleicht im Managementbereich etwas zu übernehmen, das würde mich schon reizen. Ich bin da aber auch bei weitem nicht so festgefahren, dass es nur in diese eine Richtung geht. Fixiert man sich da nur auf einen Weg, dann versucht man krampfhaft was zu machen und sieht vielleicht die eine oder andere Chance, die abseits des Weges liegt, gar nicht. Ich kann es mir sicher vorstellen, aber es ist natürlich nicht in Stein gemeißelt.“

Wie sehr ist der Fußball trotz Deines Karriereendes noch ein Thema als Hobby und in Deinem Alltag?

Henn: "Ich war 15 Jahre Profifußballer. Natürlich interessieren mich noch die Spiele und was auf dem Platz passiert. Mittlerweile möchte ich aber auch gerne wissen und verstehen, was hinter den Kulissen passiert und was dahinter steht. Ich glaube nicht, dass ich in irgendeinem Bereich etwas machen könnte, mit dem ich noch so gar keine Berührungspunkte hatte. Das mich Fußball irgendwann nochmal komplett loslässt, halte ich für vollkommen ausgeschlossen.“

Du hast als Fußballprofi acht Jahre bei den Löwen verbracht und bist zwei Mal aufgestiegen. Woran erinnerst Du Dich besonders gern zurück?

Henn: "Die Aufstiege bleiben natürlich in prägender Erinnerung. Ich bin auch schon öfter gefragt worden, welcher denn größer und emotionaler war. Da muss man aber natürlich differenzieren. Beim Aufstieg 2011 war ich Stammspieler und habe bis auf ein Spiel alle Partien auf dem Platz gestanden. Da hat man ein ganz anderes Gefühl zu dem sportlichen Erfolg, als es zwei Jahre später der Fall war. Ich war natürlich unfassbar froh, ein Teil dieser Mannschaft zu sein, da ich natürlich auch aus einer langen Verletzung kam, aber es war schon anders als die Drittliga-Meisterschaft. Das war für mich emotionaler, da ich viel mehr involviert war und dazu beigetragen habe. Für mich überstrahlen die Aufstiege alles und in schöner Erinnerung bleibt sicher auch das Jahr in der Bundesliga. Das sind die Dinge, die am Ende hängen bleiben.“

Hast Du heute noch Kontakt zu ehemaligen Mitspielern aus der Zeit?

Henn: "Dass sich am Ende echte Freundschaften bilden, das ist schon die Ausnahme. Ich hab noch Kontakt mit Tim Danneberg, der jetzt der Co-Trainer beim VfL Osnabrück ist. Wir telefonieren schon regelmäßig, das hat sich über all die Jahre gehalten. Ansonsten sieht man sich natürlich auch, wenn mal jemand nach Braunschweig kommt, wie zum Beispiel Norman Theuerkauf mit dem 1. FC Heidenheim. Da merkt man auch, dass man eine lange Zeit zusammen verbracht hat. Geht man dann auseinander, dann ist es nun mal so, dass der Kontakt mal abreißt. Ich spreche natürlich auch noch mit Dennis Kruppke und habe gerade in der vergangenen Woche mal wieder mit Domi Kumbela telefoniert. Es ist am Ende auch egal, wenn man lange nichts voneinander hört. Wenn man sich mal wieder spricht, dann ist es direkt wieder so wie damals und das hat man ja auch auf dem Platz gesehen, was wir für ein „eingeschworener Haufen“ waren.“

Im Moment spielen die Löwen um den Klassenerhalt in der zweiten Liga. Was traust Du der Mannschaft von Daniel Meyer für den Rest der Saison zu?

Henn: "Es wäre sicher schön gewesen, wenn man gegen die Mannschaften von oben nochmal den ein oder anderen Zusatzpunkt geholt hätte. Ich bin aber optimistisch und traue der Mannschaft in jedem Fall den Klassenerhalt zu. Man sieht, dass mit den Neuverpflichtungen im Winter gerade defensiv mehr Stabilität auf dem Platz ist. Dazu haben sie offensiv noch die eine oder andere Alternative bekommen, die das Team deutlich stärker macht. Ich bin positiv gestimmt.“

Fotos: Eintracht, Agentur Hübner

Matthias Henn - Acht Jahre ein Löwe