Kucharski: "Wir treffen uns auf Augenhöhe"
Dennis Kruppke und André Kucharski über das Projekt Löwenpartnerschaft
Das NLZ der Löwen hat zu Beginn des Jahres die Löwenpartnerschaft auf die Beine gestellt. Dabei geht es um eine engere Zusammenarbeit mit den Vereinen in der Region. Im Doppelinterview mit Initiator André Kucharski und NLZ-Leiter Dennis Kruppke sprechen wir über die ersten Eindrücke, die Intention des Projekts und über die Zukunftsvisionen.
Hallo André, hallo Dennis. Seit Anfang des Jahres läuft das Projekt. Wie ist euer erster Eindruck?
André Kucharski: "Es ist den Umständen entsprechend sehr gut gestartet. Natürlich konnten wir nicht in persona zusammenkommen oder Sachen mit Kindern und Trainern auf dem Platz erarbeiten. Wir haben die Zeit aber digital genutzt und mit unseren Trainern vier Webinare durchgeführt und ihnen ein paar Basics unserer Arbeit mit auf den Weg gegeben. Unabhängig davon treffen wir uns einmal im Monat mit den Koordinatoren der Partnervereine, um uns über allgemeine Themen auszutauschen. Dazu gehört zum Beispiel ein erarbeiteter Kodex, der die Art unseres Umgangs miteinander festhält. Uns ist es wichtig, dass sich die Partner, mit denen wir uns an einen Tisch setzen, auch gut miteinander auskommen. Da steht zum Beispiel drin, wie wir mit der Situation umgehen, wenn ein Partnerverein einen Spieler eines anderen Vereins abwerben will. So etwas soll immer offen und transparent kommuniziert werden. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Trainer. Daneben stehen aber auch viele andere Punkte auf unserer Liste, wie z.B. Elternarbeit oder Vereinsentwicklung, welche wir in der nächsten Zeit Stück für Stück erarbeiten wollen. Wir handhaben dieses Projekt demokratisch. Ein Großteil der Partner muss zustimmen, wenn ein neuer Verein dazukommen möchte. Wir treffen uns auf Augenhöhe. Wir sind nicht die Schlaumeier, sondern wollen die Vereine und ihre Trainerschaft bilden, entwickeln, begleiten und unterstützen. Am Ende des Tages sollten immer die Kids im Mittelpunkt stehen, und denen wollen wir letztendlich helfen."
Dennis Kruppke: "Wir haben ja schon im Vorfeld gut mit den Vereinen zusammengearbeitet. Es sollte aber nicht nur darum gehen, dass wir Spieler von anderen Vereinen zu uns holen wollen, sondern ein Benefit in der breiten Masse herzustellen. Die Zeit ist etwas schwierig, da man sich in Präsenz nicht treffen kann und man muss mit den Onlinemeetings vorliebnehmen. Die Resonanz ist aber trotzdem groß. Ein positives Indiz für den guten Start des Projekts ist das Interesse und das Feedback der Teilnehmer an diesen Workshops. Das zeigt, dass sie das nicht als Schlaumeiergehabe verstehen, wie André das eben schon sagte, sondern dass sie das Beste für ihren Verein mitnehmen wollen. Wir sind vorerst mit vier Vereinen gestartet und wollen diese auch in der Breite unterstützen. Da können wir ehrlich sein: Ein e.V., der sehr vieles nur mit Ehrenamtlichen macht, kann vieles nicht umsetzen. Wir machen das im NLZ beruflich und bekommen Geld dafür und haben bei uns professionelle Strukturen, und davon sollen auch die anderen Vereine profitieren. Und auch bei uns ist das ein wichtiges Thema: Wir müssen eine engere Verzahnung mit unserem Breitensport aufbauen. Alle tragen denselben Löwen auf der Brust. Warum sollten wir dann nicht auch einheitlich denken?"
Ihr habt es eben schon angesprochen, dass ihr schon vorher mit den anderen Vereinen zusammengearbeitet habt. Wie kam es dann eigentlich zu dem Projekt? Sind die Vereine auf Euch zugekommen?
Kucharski: "Wir haben zunächst die derzeitige Situation evaluiert und uns mit vielen Menschen ausgetauscht. Als Scout bin ich im engen Austausch mit unseren Trainern und Mitarbeitern im NLZ, aber auch mit den anderen Vereinen in der Region. Uns ist aufgefallen, dass sich zwar viele Kinder in der G- und F-Jugend bei den Vereinen anmelden, es in den höheren Altersstufen aber immer weniger werden. Dafür gibt es viele Gründe. Manche können wir nicht beeinflussen, zum Beispiel Ablenkungen wie neue Medien, andere Hobbys, die Schule und so weiter. Worauf wir aber einen Einfluss haben, ist das, was auf dem Fußballplatz und im Verein passiert. Wenn wir den Kindern Erfolgsmomente geben und sie Spaß auf dem Platz haben, hören sie seltener auf. Wir haben gemerkt, dass es in diesen Vereinen große Entwicklungspotenziale gibt, wo wir diese unterstützen können. Das hat sich auch bei unseren Trainern gezeigt. Daraufhin haben wir ein Konzept erstellt und den Vereinen vorgestellt. Wir haben uns bewusst zunächst auf eine kleine Anzahl an Vereinen konzentriert, um eine Verlässlichkeit zu schaffen. Wir wollen unsere Versprechen auch halten. Das heißt nicht, dass wir nicht mit weiteren Vereinen zusammenarbeiten wollen. Wir können nur nicht allen Vereinen Hospitationen und Lehrgänge anbieten. Das ist eine Vision, Stand heute allerdings nicht umsetzbar."
Kruppke: "Wir wollen auf keinen Fall, dass sich die Klubs darüber profilieren und haben uns lange Zeit dagegen gesträubt, es Kooperation mit speziellen Vereinen zu nennen. Wir möchten in Braunschweig mit allen Klubs gut zusammenarbeiten, und das funktioniert auch weitestgehend. Dieses Pilotprojekt ist eine nochmal intensiviertere Arbeit, um noch mehr Synergieeffekte zu schaffen. Das geht zunächst nicht mit allen Klubs, wir wollen in diesem Projekt zunächst schauen, wie es sich entwickelt, um dann peu á peu Klubs dazu zu holen. Es ist zurzeit so, dass Kinder ein großes Angebot an Vereinen haben und wir schauen müssen, wie wir sie bei Laune halten. Wir haben uns in den vergangenen Monaten sehr akribisch damit beschäftigt, warum wir eine so hohe Absprungrate bei den Spielern haben. Und das liegt auch daran, dass wir den Fokus zu sehr auf den Erfolg setzen, anstatt den Spaß am Fußball und der Bewegung in den Vordergrund zu stellen."
"Dieses Projekt wird uns als zahlenmäßig kleiner Verein im Training und bei den Spielen, im Umgang miteinander und untereinander einen großen Schritt nach vorne bringen. Alle Beteiligten wie Kinder, Eltern, Trainer und Betreuer können aus diesem Projekt, aus dieser Zusammenarbeit lernen, kooperieren und sich für die Zukunft besser aufstellen." Matthias Bull, Fußballjugendleiter SC Rot- Weiss Volkmarode
Es gibt im NLZ natürlich auch Spieler, die den Sprung in die nächste Altersklasse nicht schaffen. Das Projekt soll auch diese Kids unterstützen. Wie genau funktioniert das?
Kucharski: "Das geht in beide Richtungen. Wenn in einem Partnerverein inhaltlich ähnlich gearbeitet wird wie bei uns, fällt es den Kindern einfacher, den Übergang zu schaffen. In die andere Richtung ist es ähnlich. Eine Tragödie ist für uns, wenn ein Spieler aufhört, Fußball zu spielen, weil er den Spaß am Fußball verloren hat. Wir wollen deshalb den Schritt vom Leistungssport in den ambitionierten Breitensport leichter machen, indem wir kürzere Wege zu den Partnervereinen haben und wir uns frühzeitig austauschen. Auch, wenn sie vielleicht eine Liga tiefer spielen, sollen die Spieler motiviert bleiben. Sie sind dann in den Vereinen auf einmal einer der besten Spieler. Und das muss man den Spieler mitgeben. Wenn sie einen Schritt zurückmachen, Anlauf nehmen und zurückkommen, dann ist das super."
Kruppke: "Es gibt natürlich Kinder, die sich später entwickeln und für uns ist es auch von Vorteil, wenn wir wissen, dass in den anderen Vereinen in der Region ähnlich gearbeitet wird wie bei uns. Wenn die Spieler wieder zu uns kommen, fällt der Übergang umso leichter. Im Endeffekt profitieren alle davon."
Ab welchem Alter setzt das Projekt an?
Kucharski: "Von der Bambini- bis zur Herrenmannschaft sind alle Trainer willkommen. Die Inhalte sind weit gefächert, vom Kinderfußball bis zur Videoanalyse. Am Ende des Tages soll es ja dem ganzen Verein und der Fußballregion Braunschweig zu Gute kommen. Der Fokus für uns liegt natürlich auf dem Jugendbereich. Elementar wichtig ist für uns das Alter ab der U11, denn ab diesem Alter starten wir mit einem Talentteam. Der Grundpfeiler Spaß muss aber von Anfang an gefüttert werden. Wenn die Kleinen in den Übungen mehr in der Schlange stehen, als tatsächlich zu spielen, müssen wir uns nicht wundern, wenn sie daran keinen Spaß haben und an das Aufhören denken. Deshalb wollen wir zum Beispiel den Trainern ein Playbook an die Hand geben, mit dem sie wissen, worauf sie zu achten haben. Langfristig sollen diese dann selbst das Wissen weitergeben und in der Praxis anwenden können."
Kruppke: "Wir mussten die Erfahrungen ja auch erstmal sammeln. Und das fängt bei den ganz Kleinen an. Wenn du in der Bambini- oder F-Jugend schon über Taktik redest oder den Kindern Positionen zuweisen möchtest und der Spaß verloren geht, weil die Spielzeit minimiert wird, nur um zu gewinnen. Da muss man sich nicht wundern, wenn die Kinder wieder aufhören wollen."
Gut, es sollen weitere Vereine dazukommen. Was gibt es darüber hinaus noch für Ideen für die Zukunft? Was habt Ihr für Visionen?
Kucharski: "Wir würden unter anderem gerne eine Art Mentorenprogramm bzw. Trainerentwickler/-begleiter aufbauen. Dazu fehlt uns zurzeit noch die Manpower. Die Idee ist, dass diese Mentoren in die Vereine gehen und dort ihre Hilfe anbieten. Ein anderer Gedanke ist auch, dass die Trainer der Partnervereine selbst zu Mentoren werden: Erfahrene Trainer geben ihr Wissen an junge Trainer weiter. Mir hätte das zu meinen Anfängen geholfen, dann hätte ich vielen Käse nicht gemacht. Für unsere Partnervereine bieten wir interne Wettbewerbe in Festivalform an. Dort stehen Spiel, Spaß und die Förderung der Kids im Vordergrund. Die Kinder können sich dort frei von Druck und in einem leistungshomogenen Umfeld entfalten und sich mit Gleichaltrigen (Bio-Banding) messen. Außerdem erhalten von den Löwenpartner-Vereinen je vier Spieler aus den Jahrgängen U11 und U10 jeden Montag das Löwenstützpunkttraining.
Diese Trainingseinheiten werden von sich wechselnden Kollegen geleitet. Somit kommen die Kids auch mal in den Genuss, von Marc Pfitzner oder Dennis Kruppke trainiert zu werden."
Das Projekt läuft jetzt schon einige Monate. Wie fällt euer erstes Fazit aus?
Kruppke: "Das Projekt ist gut angelaufen, trotz des Hindernisses Corona. Wir sind jetzt mit den ersten Vereinen gestartet und wollen eine Zufriedenheit in den Vereinen, bei den Eltern und vor allem bei den Spielern erzeugen. Das bezieht sich nicht nur auf den Fußball, denn große Vereine haben auch andere Sparten. Wenn ein Kind merkt, dass Fußball nicht unbedingt etwas für es ist, es aber Spaß am Sport und an der Bewegung hat, dann ist das natürlich auch gut. Der Fokus soll nicht auf das Profiwerden gesetzt werden. Wir wollen miteinander verzahnt arbeiten und je enger die Zusammenarbeit ist, umso besser funktioniert das."
Kucharski: "Dieses Projekt ist so etwas wie mein Baby. Es macht wirklich Spaß, mit den Vereinen zusammenzuarbeiten und diese zu unterstützen. Ich freue mich richtig darauf, hoffentlich bald wieder mit den Kindern auf dem Platz arbeiten zu können. Das ist der Lichtblick: Die lachenden Kinder, die Spaß am Fußball haben. Am Ende des Tages kommt die ganze Arbeit den Kindern zu Gute. Es geht uns nicht darum, die besten Spieler heranzuzüchten und sie ins NLZ zu locken, damit wir sie später verkaufen können. Die Kinder sollen Spaß an der Bewegung, am Sport und am Fußball haben. Darum geht’s."