Die (Berliner) Mauer

Hertha BSC in der Vorschau

Die Blau-Gelben reisen in die Hauptstadt und treffen dort auf eine Hertha, die sich in den vergangenen Wochen zurückgemeldet hat. Aktuell belegt die alte Dame mit 20 Punkten aus zwölf Spielen Tabellenplatz acht. Zwar gab es immer mal wieder Schwankungen in der Formkurve, doch die Mannschaft rund um Trainer Stefan Leitl konnte sich insbesondere in den vergangenen Spielen stabilisieren. Die Löwen hingegen wollen in Berlin wichtige Punkte einfahren. Im Olympiastadion der deutschen Hauptstadt warten die Blau-Gelben seit 33 Jahren auf etwas Zählbares.

Wissenswertes:

Eine Defensive aus Beton: Hertha stellt aktuell die zweitbeste Abwehr der Liga, einzig Schalke hat weniger Gegentore kassiert. Zehn Gegentreffer in zwölf Partien stehen beim BSC zu Buche. Hertha hat dabei noch kein Gegentor nach einer Flanke aus dem Spiel heraus, keines nach einem Freistoß, und nur ein Gegentor nach einer Ecke hinnehmen müssen. Dazu kommt: Die Alte Dame erlaubt ligaweit extrem wenige Top-Möglichkeiten. Nur Paderborn ließ in dieser Saison noch weniger Großchancen zu.

Ein goldener Herbst: Nach einem wackligen Saisonstart gewannen die Berliner sechs der vergangenen sieben Pflichtspiele. Zuletzt gab es vier Zu-Null-Siege in Folge. Eine Serie, die es so zuletzt vor zehn Jahren gab. Fünf Pflichtspielsiege in Serie? Dafür müsste man bei den Berlinern schon 24 Jahre zurückblättern.

Volle Kraft voraus: So stabil Hertha in der Defensive steht, so variabel präsentiert sich die Offensive. Die Berliner erzeugen ihre größte Gefahr über die Außenbahnen: Kein Team der Liga traf häufiger nach Flanken aus dem Spiel. Sechs Treffer bedeuten hierbei den Ligabestwert. Mit Fabian Reese auf links und Marten Winkler auf rechts verfügt Hertha über zwei Spieler, die regelmäßig Tempo aufnehmen und präzise Hereingaben schlagen.

Unter Beobachtung:

Tjark Ernst: Der 22-Jährige ist aktuell die unangefochtene Nummer eins der Liga: Seit 390 Pflichtspielminuten ist Ernst ohne Gegentor. Mit satten 82 Prozent abgewehrter Schüsse auf sein Gehäuse und sieben Zu-Null-Spielen hält der gebürtige Stuttgarter den Titel des aktuell besten Torhüters der 2. Bundesliga.

Fabian Reese: Der Kapitän ist aktuell Top-Scorer der Hertha: Zwei Tore, fünf Vorlagen und obendrein der klare Taktgeber über die linke Seite. Er prägt das Spiel der Berliner mit Tempo, Physis und einer enormen Präsenz. Und beim Kapitän schlummert weiteres Potenzial: Von seinen 24 Torschüssen nutzte er bisher nur seine beiden Strafstöße. Im Rückspiel der vergangenen Saison traf er doppelt gegen die Eintracht.

Luca Schuler: Der junge Angreifer kommt in sieben Spielen auf drei Saisontore. Auffällig an den letzten drei Spieltagen: Immer, wenn Schuler in der Startelf stand, gewann Hertha. Besonders im Umschaltspiel sind sie gefährlich. Mit seinem Tor zum 1:0 sorgte er vor der Länderspielpause für den Siegtreffer gegen die Roten Teufel aus Kaiserslautern auf dem Betzenberg.

Michaël Cuisance: Der Mittelfeldakteur ist seit Sommer 2024 in Berlin. Der 26-Jährige sprüht vor Spielfreude, Talent und Kreativität und produziert Zählbares: So kann der gebürtige Franzose zwei Tore und zwei Torvorlagen in der aktuellen Saison für sich verbuchen. Bei dem Franzosen geht es auch oft körperlich zu, denn kein Herthaner foulte bisher mehr und nur Maurice Krattenmacher wird bei den Hausherren häufiger unfair gestört als Cuisance.

Die Lage:

Nach dem Fehlstart zu Saisonbeginn (nur zwei Punkte aus den ersten vier Partien) und zeitweisen Schwankungen in der Formkurve ist die Mannschaft von Stefan Leitl inzwischen wieder voll in der Spur. Die Alte Dame steht mit 20 Punkten auf Platz acht und hat derzeit nur noch drei Zähler Rückstand auf Rang drei. Leitl, der im Februar 2025 übernahm, hat vor allem eines geschafft: Stabilität und Struktur zurück in die Hauptstadt zu bringen. Dazu kommt: Mit der Umstellung auf die Viererkette seit Spieltag fünf stabilisierte sich die Abwehr deutlich. Hertha holte 15 Punkte aus den vergangenen sechs Begegnungen und hat in dieser Zeit nur auf den SC Paderborn und den FC Schalke 04 keinen Boden gutmachen können. Obwohl die Berliner vor der Länderspielpause in der Endphase des 1:0-Erfolges beim bis dahin zuhause noch ungeschlagenen FCK nach Leitls Ansicht „viel zu viel zugelassen“ haben, zeigt die Entwicklung nach dem misslungenen Saisonauftakt nun wieder nach oben. Aktuell stellt sich jedoch die Frage nach einem möglichen Wechsel in der Startaufstellung: Zum Wochenauftakt verließen die Offensivkräfte Fabian Reese und Michaël Cuisance frühzeitig den Trainingsplatz. Ob sie am Freitagabend auf dem Platz stehen, ist derzeit noch unklar. “Vorsichtsmaßnahme”, fasst Leitl das Geschehen knapp zusammen. Weil aber, wie zuletzt in Kaiserslautern, inzwischen auch mehrere Profis entscheidende Impulse setzen, ist Hertha trotz der langen Verletzungspause von Torjäger Dawid Kownacki und den beiden möglichen Ausfällen offensiv immer weniger berechenbar. Aus übergeordneter Sicht zählt dabei vor allem, dass sich das Team zunehmend vom einstigen Unterschiedsspieler Reese löst. Diese Entwicklung markiert einen weiteren Fortschritt in einem Herbst, der Hertha Anlass zu Optimismus gibt. Für die Braunschweiger Eintracht wird es ohnehin eine große Herausforderung, denn die Löwen von der Oker warten seit 1992 auf einen Punkt bei den Blau-Weißen. Der letzte Auswärtssieg liegt sogar ganze 37 Jahre zurück (ein 2:0 im Oktober 1988). Es wird also Zeit für die Backhaus-Elf, diese Serie enden zu lassen. Bei dieser Mission können sich die Blau-Gelben immerhin auch wieder auf die Unterstützung von Kevin Ehlers und Lukas Frenkert verlassen. Während Ehlers seine Gelb-Rot-Sperre abgesessen hat, feierte Frenkert in der Länderspielpause nach seinem Muskelbündelriss sein Comeback im Testspiel gegen den SC Paderborn 07.

Die letzte Begegnung:

Der letzte Vergleich liegt noch nicht lange zurück und war aus Löwensicht ein herber Rückschlag. Im März setzte es zuhause im EINTRACHT-STADION ein 1:5 (0:3) gegen Hertha BSC, ein Nachmittag zum Vergessen. Fabian Reese eröffnete früh, ein Doppelschlag vor der Pause brachte die Eintracht entscheidend mit 0:3 ins Hintertreffen. Nach dem 0:4 gelang Lino Tempelmann spät der Ehrentreffer, doch Hertha konterte auch in der Nachspielzeit des zweiten Durchgangs noch einmal eiskalt und legte das 1:5 nach. Für die Eintracht war diese Partie gegen die Berliner am 26. Spieltag der vergangenen Spielzeit ein Weckruf. Danach verlor man ganze sechs Partien am Stück nicht mehr. Erst am 33. Spieltag gab es für die damalige Elf von Chefcoach Daniel Scherning die nächste Niederlage.

Foto: DFL/Getty Images/Fabio Deinert