Meyer: "Wir müssen die Kieler Automatismen unterbrechen"
Die Pressekonferenz vor dem Auswärtsspiel bei Holstein Kiel
Die Löwen wollen nach dem 1:0-Sieg gegen Heidenheim nach zuvor sieben Partien ohne dreifache Punktausbeute den Schwung am Samstag nach Kiel mitnehmen. Auf der virtuellen Pressekonferenz sprachen Chef-Trainer Daniel Meyer und der Siegtorschütze gegen Heidenheim, Marcel Bär, über…
…den Sieg gegen Heidenheim:
Meyer: “Manchmal ist es so, dass man sich freut, wenn die Spiele schnell hintereinander kommen. In diesem Fall hätten wir den Sieg gerne etwas mehr genossen, weil es eine Weile her war, dass wir dreifach gepunktet haben. Durch die englische Woche mussten wir den Fokus schnell wieder auf Kiel richten. Zumindest inhaltlich, viel trainieren kann man da nicht. Ich freue mich, dass der Rucksack abgefallen ist und die Durststrecke ein Ende hat. Das hat ein wenig den Integrationsprozess der Neuen und unseren Entwicklungsprozess behindert. Dieser wird am Ende wenig wahrgenommen, wenn du deine Spiele nicht gewinnst. Wir sind froh den Dreier gelandet zu haben, konzentrieren uns aber jetzt auf die Partie in Kiel.“
…das Personal:
Meyer: “Wir haben ein, zwei Blessuren aus dem Spiel gegen Heidenheim mitgenommen. Stand heute gehen wir davon aus, dass niemand ausfallen wird, bis auf die Langzeitverletzen Benny Kessel, Felix Burmeister und Niko Kijewski, Manuel Schwenk fehlt weiter gesperrt. Für ihn ist das besonders bitter, weil er aus Kiel kommt. Er wird uns am Samstag aber vor Ort unterstützen.“
...den kommenden Gegner:
Meyer: “Kiel konnte die Entwicklung bestätigen. Man konnte im DFB-Pokalspiel gegen Bayern München sehen, wozu Kiel in der Lage ist. Auch die Begegnung in Paderborn hat gezeigt mit welcher Qualität und Intensität sie ihr Spiel durchbringen. Mittlerweile haben sie ein paar Anpassungen angenommen, auch in ihrer Spielweise. Im Hinspiel haben wir es sehr gut gemacht, vor allem defensiv. Wir müssen schauen, dass wir auf ihre Anpassungen reagieren können. Wir wollen den Weg über eine stabile Defensive beschreiten und in das Fenster gelangen, um Spiele zu gewinnen. Wir wollen auch gegen Topmannschaften in dieses Fenster kommen und wollen am Samstag etwas mitnehmen. In der Frühphase der Saison hatten sie schon ein großes Selbstverständnis, weil die Mannschaft in sich gewachsen ist und man einen eigenen Spielstil entwickelt hat, den man verfeinert. Deswegen sind sie sicher in ihren Mitteln und haben ein großes Selbstbewusstsein aufgebaut. Trotzdem müssen wir versuchen diese Automatismen zu unterbrechen und dann eben selber zu Möglichkeiten zu kommen. Das haben wir schon gegen andere Topmannschaften gezeigt.“
Bär: “Wir treffen auf eine Topmannschaft. Gegen Bayern haben sie ein Superspiel hingelegt und auch gewonnen. Wir müssen unbedingt wieder taktisch und läuferisch das abrufen, was wir in den vergangenen Begegnungen gezeigt haben. Gegen Heidenheim haben wir einen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht, auch in der ersten Halbzeit gegen Hamburg. Das muss die Basis sein, um in Kiel etwas mitzunehmen.“
…den Vorteil von Heimspielen:
Meyer: “Es ist schon erkennbar, dass es nicht so viele Mannschaften gibt, die von einer Riesenheimstärke sprechen. Man hat den Vorteil von den Abläufen, weil man nicht reisen muss und man einige Dinge bei Heimspielen anders organisieren kann. Gerade für Mannschaften wie uns, die sehr zuschauerorientiert sind und viele Fans haben, ist das ein Nachteil, dass man die Zuschauer nicht mit dabei hat. Sowas kann in engen Spielen den Unterschied ausmachen. Es gibt auch statistische Belege dazu, dass es nicht mehr so viele Heimsiege gibt, wie es vorher mal der Fall war. Gerade zum Ende der englischen Woche ist es ein Vorteil, dass man nicht reisen muss.“
…die taktischen Varianten:
Meyer: “Es ist bekannt, dass wir immer zwischen Dreier- und Viererkette wechseln. Das wird auch in der Zukunft eine Option sein, weil ich denke, dass das die Gegner auch in der Spielvorbereitung beschäftigt. Die Statik und das Positionsspiel sind jeweils völlig anders. Das hört man häufig auf den gegnerischen Pressekonferenzen, dass immer zwei Szenarien vorbereitet werden. Deswegen behalten wir es uns vor weiterhin auf Dreierkette umzustellen. Wir haben nahezu jede Position doppelt besetzt. Wir haben einen realen Konkurrenzkampf und das ist wichtig, weil ich als Trainer die Entscheidung, wer am Ende auf dem Rasen steht, nach verschiedenen Kriterien treffen kann. Die Möglichkeiten sind einfach größer geworden.“
…die Position von Brian Behrendt:
Meyer: “Wir hatten in den vergangenen Partien das Gefühl, dass uns die Viererkette besser gelegen hat. Wir wussten, dass Brian in den Partien, die er für Bielefeld gemacht hat in der ersten Liga, alle auf der Rechtsverteidigerposition absolviert hat. Dementsprechend gab es da relativ wenige Probleme. Jetzt war Danilo Wiebe das erste Mal wieder mit dabei, was uns Variationsmöglichkeiten gibt. Ich glaube, dass sich Brian in der Mitte wohler fühlt. Ich bin trotzdem froh über die Optionen und dann auch entscheiden zu können. Wir sehen Brian aber mehr in der Innenverteidigung.“
…die Leistungen von Marcel Bär:
Meyer: “Marcel bringt grundsätzlich eine Körperlichkeit und Geschwindigkeit mit, die dann auch den Gegenspielern in der 2. Bundesliga Probleme bereitet. Er hat eine große Anzahl von tiefen Läufen dazwischen. Gerade wenn er das Selbstvertrauen hat und aus der Intuition herausspielt, wird es für den Gegner schwierig, weil er unberechenbar ist. Über den Saisonverlauf hatte er zwischendurch schon eine richtig gute Phase. Er ist an einem Punkt, wo wir seine Leistungen auf einem hohen Niveau stabilisieren wollen. Dass er die zweite Liga im Tank hat und den Mannschaften Probleme bereiten kann, das sehen wir schon. Wir setzen viele Hoffnungen da rein, ihn auf diesem Level zu halten.“
Bär: “Als Spieler kennt man das. Wenn man einmal trifft, steigt das Selbstbewusstsein. Im vergangenen Spiel springt mir der Ball einfach vor den Fuß und durch das gestiegene Selbstvertrauen, haue ich die Kugel einfach rein. Ich denke auch, dass unser Offensivspiel direkt geworden ist, weil wir mehr Akteure vor dem Ball haben und wir dadurch in bessere Abschlusspositionen kommen. Es gibt immer etwas zu verbessern, wie zum Beispiel das Passspiel und die Zweikampfquote.“
…das schließende Transferfenster:
Meyer: “Sowohl Zu- als auch Abgänge sind möglich. In der letzten Phase muss man wachsam sein, Optionen haben und Dinge prüfen. Fakt ist auf der Abgangsseite, der Kader ist relativ groß, auch nochmal durch die Neuzugänge. Wir haben dem ein oder anderen deutlich kommuniziert, dass es schwierig wird und wir in der jetzigen Phase einen Wechsel nahe legen. Es ist aber immer die Entscheidung der Jungs. Trotzdem hoffe ich, dass der ein oder andere noch eine Option findet, weil die Trainingsgruppe ansonsten relativ groß ist und wir dann Spieler dazwischen hätten, die komplett perspektivlos wären. Sollte sich auf der Abgangsseite noch etwas tun, sind wir sicherlich auch in der Lage nochmal zu reagieren.“
…seinen Torjubel:
Bär: “Ich wurde schon oft drauf angesprochen und habe im Internet gesehen, dass auf diversen Seiten ein paar schöne Bilder zustande gekommen sind. Als ich das Tor gegen Hamburg gemacht habe, wollte ich nicht auf den Knien rutschen, weil ich bei Nick Proschwitz gesehen habe, dass das nicht gut ausgeht. Aus einer Intuition heraus habe ich dann die Arschbombe gemacht. Der Torjubel sieht so blöd aus, den habe ich aus Prinzip nochmal gemacht.“
Fanfragen
Die blau-gelbe-Familie möchte von Marcel wissen: Herr Bär, bei einem laufintensiven Spiel schossen Sie das Siegtor in der 34. Minute. Auch wenn Heidenheim nicht so stark spielte, wie sie es eigentlich können, hat der Sieg der Mannschaft dabei einen neuen Schwung gegeben?
Bär: “Definitiv. Der Trainer hat es vor dem Spiel gesagt: wir wollten den Reset-Knopf drücken und die Hinrunde abschließen und mit neuem Elan in die Rückrunde starten und das bestenfalls mit einem Sieg. Das haben wir geschafft. Ich bin echt stolz auf die Mannschaft. Wir hatten taktische und läuferisch sehr gute Werte. Das war der erste Schritt. Jetzt geht es in Kiel weiter, wo wir wieder an die Leistung anknüpfen wollen.“
Nur der BTSV: Was hat letztes Spiel den Ausschlag gegeben mit Dominik Wydra auf der Sechs zu spielen? Bis jetzt war ja immer im Gespräch Jannis Nikolaou ins Mittelfeld zu schieben.
Meyer: “Das ist relativ einfach. Dominik Wydra ist jemand für mich, der hinten zentral in der Dreierkette spielen kann, aber kein Innenverteidiger ist. In den Abläufen hat er noch ein bisschen Schwierigkeiten, wenn es richtig hektisch wird. Er fühlt sich dann einfach auch nicht wohl. Als wir uns dafür entschieden haben Viererkette zu spielen, war es klar, dass er derjenige ist, der eine Reihe nach vorne rutscht. Dome hat immer auf der Sechs gespielt. Das ist seine Heimatposition. Deswegen gab es keine großen Zweifel, dass er das nicht vernünftig löst. Wir haben auch Nikolaou im Auge. In dem Moment ging es aber um defensive Stabilität und da war es aus unserer Sicht gut, weil Jannis Innenverteidiger ist und das eher spielen kann, als Dominik Wydra im Sinne der Stabilität und Sicherheit.“
Kevin K. möchte wissen, warum Jannis Nikolaou gegen Heidenheim als Kapitän aufgelaufen ist und nicht Dominik Wydra?
Meyer: “Wir haben einen Mannschaftsrat und Koby ist der Kapitän. Wer haben dahinter nicht definiert, wer die Binde trägt, wenn Koby nicht auf dem Platz steht. Das waren jetzt immer unterschiedliche Spieler. Ich hatte persönlich das Gefühl, dass die Binde Dome etwas mehr beschäftigt, weil er dadurch das Gefühl hat, dass er etwas Besonderes machen muss. Mein Bauchgefühl hat sich dann auf Jannis festgelegt. Er hat das gut gemacht gegen den HSV und hat das Team dann auch als Spielführer gegen Heidenheim auf den Rasen geführt. Mit einem Ranking hat das Ganze nichts zu tun. Die Jungs beschäftigt das auch nicht so groß.“
Nur der BTSV möchte wissen: Osnabrück und Karlsruhe haben in Kiel jeweils mit sehr wenig Ballbesitz gewonnen. Ist das ein Ansatz dann Kiel das Spiel zu überlassen und kompakt zu stehen, um über Konter gefährlich zu werden?
Meyer: “Ich glaube, dass es auch kompliziert wird, wenn du einen anderen Ansatz hast. Kiel wird nicht freiwillig den Ball hergeben. Sie spielen ein sehr gutes Pressing aus ihrem System heraus und haben sehr gute Automatismen im Ballbesitz. Sie verlieren relativ wenige Bälle und sind sehr pressingresistent. Wir haben eine Idee, wie wir es in Kiel angehen wollen. Wir sind da sehr klar und werden diese hoffentlich so gut umsetzen, wie es uns zuletzt häufiger gelungen ist, auch gegen gute Mannschaften. Wir sind überzeugt, dass wir mit dem Matchplan in eine Situation kommen können, um dort zu punkten.“
Foto: Agentur Hübner