
Wenn ein Weltmeister übernimmt...
Der 1. FC Nürnberg in der Vorschau
Wenn am letzten Spieltag der Zweitliga-Saison der 1. FC Nürnberg an der Hamburger Straße gastiert, dann bringt der Club nicht nur seinen traditionellen Namen mit, sondern auch eine Saison voller Widersprüche – zwischen gewachsenen Erwartungen, Rückschlägen und Aufbrüchen. Sportlich ist man dabei sowohl von Aufstiegschancen als auch von Abstiegssorgen weit entfernt.
Matchfacts:
- Der Club sucht die Nähe: Derzeit verbucht der Verein aus dem Frankenland die wenigsten Distanzschüsse aller Zweitligisten (117). Dafür scheint das Zielwasser gut zu wirken: Neun dieser Abschlüsse waren drin, der viertbeste Wert der 2. Bundesliga.
- Den Kasten im Blick: Generell haben die Nürnberger ihr Ziel recht gut im Auge. Sie haben mehr Treffer erzielt (56), als nach den Expected-Goals zu erwarten war (51,64). Zudem gingen 44,5 Prozent ihrer Schüsse tatsächlich auf das Gehäuse des Gegners, bei keinem anderen Team ist dieser Anteil höher.
- Effizient, effizienter, FCN: Nur der bereits aufgestiegene Hamburger SV brauchte bis dato genauso wenig Torschüsse für ein Erfolgserlebnis wie die Franken. Jeder siebte Schuss landete in den Maschen - Höchstwert!
- Defensiv hop und top: Hinter der SV Elversberg verzeichnete die Mannschaft vom Valznerweiher die zweitmeisten gewonnenen Bodenzweikämpfe (2.992). Mit 33 Großchancen sprangen zudem für die Gegner gegen der Nürnberger die drittwenigsten Top-Möglichkeiten heraus. Allerdings ließen sie auch die zweitmeisten Flanken zu (401) und sorgten für die zweitmeisten Gegentore nach Ballverlusten (16).
- Überwiegend links: Ganze 40 Prozent der über 1.200 Eintritte in die gegnerische Hälfte erfolgten über die linke Angriffsseite. Auffällig dabei ist aber, dass auf der anderen Seite 45 Prozent der eigenen Treffer über die zentral-halbrechte Seite erzielt wurden. Beim Weg nach vorne stimmte auch die Passqualität - mit 51,6 Prozent kommen bei den Franken in der aktuellen Saison die meisten schwierigen Pässe aller Zweitligisten beim Abnehmer an.
Unter Beobachtung:
- Julian Justvan
Justvan ist der Wirbelwind in der Klose-Elf. Im August von der TSG Hoffenheim verpflichtet zeigt der Spielmacher auch in Nürnberg, was er drauf hat. Keiner geht beim Club mehr ins Dribbling, keiner hat mehr Drucksituationen in Ballbesitz positiv gelöst, keiner legte mehr Abschlüsse seiner Teamkameraden auf. Und auch ohne Leder am Fuß ist Justvan voll da und stellt Räume und Passwege zu. Lediglich Caspar Jandar legte auf dem Platz eine größere Laufdistanz gegen den Ball zurück. - Robin Knoche
Der Verteidiger wechselte im Sommer 2024 nach vier Jahren vom 1. FC Union Berlin aus der Bundesliga zum FCN. Gebürtig kommt der Mann mit den meisten Luftzweikämpfen und Pässen beim Club in dieser Spielzeit aber aus Braunschweig, wo er in seiner Jugend die Schuhe für den TSV Germania Lamme und SV Olympia schnürte. - Janis Antiste
Der Leihspieler von Sassuolo Calcio hat sich in der Abwesenheit von Stefanos Tzimas zum Offensivmann der Stunde beim Club entwickelt. In den vergangenen drei Spielen seit seiner abgesessenen Rotsperre traf der 22-Jährige jedes Mal für die Franken. Dennoch wurde er beim vergangenen Heimspiel verabschiedet, sodass in der Sommerpause eine Rückkehr nach Italien fix ist.
Die Lage:
Mit der Verpflichtung von Miroslav Klose als Cheftrainer vor der Saison hatte man beim FCN auf frischen Wind und eine neue sportliche Stabilität gehofft. Klose, der erstmals einen deutschen Profiverein übernahm, stand von Beginn an vor der Herausforderung, nach den Verlusten von Leistungsträgern wie Can Uzun und Finn Jeltsch einen frisch zusammengesetzten Kader zu formen und gleichzeitig die hohen Ansprüche im Frankenland zu erfüllen. Letzteres funktionierte dabei nicht immer, aber Stabilität brachte der Weltmeister von 2014. Der Club spielte unter Klose phasenweise stark, konnte die teils sehr guten Ansätze jedoch nicht immer über 90 Minuten konservieren. Gleich achtmal vergab Nürnberg eine Führung und musste die drei Punkte noch an den Gegner abgeben – ein neuer Zweitligarekord in ihrer über 50-jährigen Geschichte. Besonders schmerzlich war die 1:3-Heimniederlage gegen die SV Elversberg vor zwei Wochen, die demselben Muster folgte. Mit diesem Rückschlag wurden auch die letzten Hoffnungen auf einen späten Angriff Richtung obere Tabellenhälfte zunichte gemacht. Auch das letzte Heimspiel der Saison verlor man gegen den 1. FC Köln nach einer Führung. Satte 28 Punkte schenkte man bis dato wieder her. So steht am Ende der Saison eben unter dem Strich ein Platz im gesicherten Mittelfeld, obwohl man sich zum 125. Geburtstag vor wenigen Wochen noch mit Aufstiegsambitionen hätte beschenken können.
Foto: DFL/Getty Images/Sebastian Widmann