„Jugendliche bringen bessere Leistungen, wenn sie sich wohlfühlen“

Im Gespräch mit NLZ-Sportpsychologe Finn Rohland

Wie geht man mit sportlichen Misserfolgen, Krisensituationen oder Leistungsdruck um? Eine Frage, die Fußballspielern regelmäßig in Interviews gestellt wird, die aber auch schon die Nachwuchstalente beeinflusst. Eine positive Mentalität steigert die Leistung, sie muss aber auch angeleitet werden. Im blau-gelben NLZ ist Sportpsychologe Finn Rohland für diese Aufgabe zuständig. Er begleitet die jungen Löwen sowie ihre Trainer in ihrem sportlichen Alltag.

Selbst in Braunschweig geboren und in den lokalen Spielbetrieb hineingewachsen, startete Rohland vorerst als Praktikant am Kennelweg. Mittlerweile ist er hier nach abgeschlossenem Studium als Sportpsychologe tätig. Für ihn ist wichtig: Der Kopf der jungen Spieler muss mitspielen, damit sie auf dem Platz ihr Potenzial ausschöpfen können. „In dem Konstrukt NLZ, wo insbesondere der Leistungsgedanke ständig präsent ist, können Jugendliche wesentlich bessere Leistungen bringen, wenn sie sich wohlfühlen. Dazu sollte auch nicht alles nur auf den Fußball ausgelegt sein, sondern auch auf den Menschen, der das Trikot trägt“, so Rohland. Es geht ihm dabei aber nicht nur um den sportlichen Druck und persönliche Belastungen, die die Spieler mitbringen, sondern auch um erfolgreiches Lernverhalten und eine gute Kommunikation mit und unter ihnen.

Die Spieler der blau-gelben Nachwuchsmannschaften sind mit den unterschiedlichsten Situationen konfrontiert: Die einen kämpfen um den Klassenerhalt, die anderen wollen im Aufstiegsrennen mithalten. Finn Rohland orientiert sich an diesen Ausgangslagen und ist insbesondere bei den Teams präsent, die grade stärkeren Belastungen ausgesetzt sind. Am Spielfeldrand als stiller Beobachter, selbst beim Kicken auf dem Platz oder im Gespräch mit den Trainern versucht er Probleme zu erkennen und Impulse zu setzten, um die jungen Spieler auf ihre kommenden Aufgaben einzustellen oder vergangene Misserfolge aufzuarbeiten. Manchmal muss für einfach etwas mehr Spaß im Training her, manchmal muss aber auch Druck abgefangen werden, so Rohland: „Jeder ist ein bisschen der Psychologe für sich selbst. Allerdings haben wir das ja nicht professionell erlernt, sondern lernen aus eigenen Erfahrungen. Schon ein Perspektivwechsel kann da viel bewirken.“ Dieser findet aber nicht nur auf dem Platz beim Training oder Spiel statt, sondern auch bei Bedarf in Einzelgesprächen mit den Spielern, bei Workshops für die Trainer oder bei den Besprechungen von Spieltagen.

Am wichtigsten dabei: das Vertrauen der Spieler gewinnen. Nur so kommen sie auch freiwillig auf das Angebot durch den Sportpsychologen zurück: „Wenn die Jungs mir vertrauen, haben sie das Gefühl, sie können mir alles erzählen. Das ist das Wichtigste. Da bin ich natürlich gefordert, proaktiv auf die Spieler zuzugehen. Wenn ich in meinem Büro hocke, werde ich wenig Arbeit kriegen. Stattdessen muss ich auch nachfragen, nicht nur sportlich, sondern auch was die Jungs privat grade beschäftigt. Wenn das stattfindet, kommen sie dann auch eher selbstständig zu mir, wenn sie ein Thema belastet.“ Dabei unterliegen alle Gespräche zwischen Psychologe und Spielern der Schweigepflicht. Sorgen oder Ängste sollen hier frei geäußert werden können, ohne, dass die Spieler mit sportlichen Konsequenzen rechnen müssen, weil sie beispielsweise nicht mehr aufgestellt werden. Da sich nicht jeder traut, proaktiv das Angebot wahrzunehmen, ist viel Präsenz und Initiative von Finn Rohland auf und neben dem Platz gefragt. Gezwungen wird aber niemand. Die Spielertypen sind unterschiedlich, das muss akzeptiert werden: „Das ist ja auch das Spannende daran, dass du nicht mit jedem Spieler den gleichen Umgang hast. Die einen können bestimmte Aspekte schon besser umsetzten, andere weniger. Manche sind stressresistenter als andere. Es macht keinen Sinn, jemanden in die Veränderung hineinzuzwingen. Ich versuche zu unterstützen so gut es geht, meine Tür steht immer offen. Aber wenn jemand da kein Interesse dran hat, ist es verschwendete Zeit. Man muss da überzeugt von sein.“

Die Begleitung durch den Sportpsychologen steht am NLZ allen Mannschaften aller Altersklassen zur Verfügung, ein besonderes Augenmerk legt Rohland aber auf die Leistungsteams U17 und U19. Er kennt jeden Spieler mit Namen und versucht immer auf dem Laufenden zu sein, um zu wissen, wo Gesprächsbedarf herrscht. Allerdings geht es ihm mehr um die Hilfe zur Selbsthilfe, die die Spieler nicht nur im sportlichen Bereich langfristig weiterbringen soll „Der Fußball ist eine gute Metapher für das echte Leben. Da findet man genauso den Umgang mit Fehlern oder Rückschlägen und setzt sich Ziele. Mein Ziel ist eine Persönlichkeitsentwicklung voranzutreiben, von der die Jungs unabhängig vom Sport profitieren“, erläutert er.

Die jüngeren Jahrgänge sind dabei leichter zu erreichen als ältere Nachwuchsspieler, so Rohland: „Bei den älteren Spielern beschäftigen wir uns viel damit, bestehende Denkmuster zu durchbrechen. Negative Erfahrungen führen zu negativen Denkmustern. Die Kleineren haben diese Muster noch gar nicht. Da ist es einfacher, ihnen zum Beispiel einen positiven Umgang mit ihren Emotionen mitzugeben.“ Da jüngere Kinder kognitiv noch nicht in der Lage sind, ihre Gefühle detailliert zu beschreiben, drücken sie sie zumeist anders aus. Da ist Rohland weniger durch Gespräche als durch spielerische Ansätze gefragt. Gleichzeitig sind die jüngeren Spieler aber häufig zugänglicher und vorurteilsfreier der Sportpsychologie gegenüber. Ein früher Zugang lohnt sich also, um ihnen früh einen positiven und offenen Umgang mit ihren Emotionen mitzugeben.

Genügend sportliche Erfahrung, um die Spieler und ihr Training nachzuvollziehen, bringt Rohland aus der eigenen sportlichen Laufbahn mit. Außerdem besitzt er die Trainer-B-Lizenz. So sehr ihm sein Praxiswissen bei seiner Arbeit nützt, muss es allerdings gelegentlich auch gebremst werden: „Man muss aufpassen, nicht zum Trainer zu mutieren, sondern die psychologischen Aspekte im Vordergrund zu behalten. Trotzdem hilft es natürlich auch aus eigener Erfahrung zu wissen, wie Spieler untereinander kommunizieren und was das für Typen sind.“ So können für sportliche Probleme auch sportliche Lösungen gefunden werden. „Wenn eine Mannschaft beispielsweise nicht zusammenspielt und jeder so sein eigenes Ding macht, schlage ich vor, ein Zwei-Kontakte-Spiel zu machen. Das kreiert ein gemeinsames Spiel, da die Jungs zwangsweise kommunizieren müssen“, erklärt der Sportpsychologe weiter.

Seine Ratschläge beziehen sich also mehr darauf, die Teams zu erreichen und ihre Leistung so zu steigern, als sportliche Tipps am Spielfeldrand zu geben. Wichtig ist ihm außerdem, dass nicht der Eindruck eine Ausbildung im Frontalunterricht entsteht, sondern die Spieler dort lernen, wo sie ihr Wissen anwenden sollen: auf dem Platz. Das macht es einfacher, die gewonnen Assoziationen erfolgreich zu verknüpfen und den sportlichen Erfolg langfristig zu steigern. Das ist das übergeordnete Ziel der Sportpsychologie. „Mein Wunsch insgesamt ist es, dass die Sportpsychologie etwas präsenter wird. Viele Aspekte des Fußballs sind darauf ausgebaut, dass man gut mit den sportlichen Situationen und Druck umgehen kann. Es gibt bereits viele positive Beispiele, wo das implementiert wurde. Ich hoffe, dass es langfristig sichtbarer wird, dass die Sportpsychologie zu positiven sportlichen Ergebnissen beiträgt. Das ist bisher leider kaum messbar“, so Rohland.

Foto: Torsten Utta