Scherning: "Wir sind ambitioniert, brauchen aber auch Geduld und Demut"
Der Cheftrainer im Interview über die Vorbereitung und die kommende Saison
Sechs Wochen Sommervorbereitung sind durch. Endlich dürfen die Löwen am Wochenende wieder Zweitliga-Luft schnuppern. Cheftrainer Daniel Scherning nimmt sich vor dem Auftakt am Samstagabend beim FC Schalke 04 im Interview die Zeit und lässt diese intensive und besondere Sommervorbereitung einmal Revue passieren.
Hi Daniel, schön, dass du bei uns bist. Wir wollen den Moment nutzen, um einmal auf sechs Wochen intensive Vorbereitung zurückzuschauen. Wie fällt so kurz vor dem Saisonstart dein Fazit aus?
Daniel Scherning: „Ich bin mit der Vorbereitung insgesamt einverstanden. Wir haben natürlich durch den großen Umbruch im Sommer schon eine veränderte Personalsituation, sind aber, und das ist auch ein großer Vorteil, im Trainerteam bis auf den Abgang von Manfred Petz in gleicher Konstellation geblieben. Das heißt, unsere Abläufe haben sich nicht groß verändert. Es war auf jeden Fall eine spannende, intensive Zeit."
Du hast den Umbruch schon angesprochen, der sich früh abgezeichnet hat. 17 Abgänge haben wir aktuell zu verzeichnen, zwölf Neuzugänge haben wir verpflichtet. Wie sehr war die Vorbereitung vor diesem Hintergrund geprägt?
Scherning: „Das war schon der Hauptpunkt. Bei fast 30 Transferbewegungen muss sich eine Mannschaft auch erst mal wieder finden, das benötigt sicherlich mehr Zeit als sechs Wochen Sommervorbereitung. Wir haben das schon so ein bisschen beschrieben: Von einer Ansammlung an Spielern, die wir so zusammengestellt haben, zur Gruppe und dann natürlich von der Gruppe noch mal zum Team werden. Ein wichtiger Schritt, der aber auch erst mit der mit der Saison und dem Saisonbeginn dann kommen wird. Jetzt kommen auch Drucksituationen hinzu. Es fallen Entscheidungen und da wird sich dann zeigen, wie wir auch als Team zusammenstehen. Wir haben auch da bewusst ein frühes Trainingslager gewählt, um einfach diesen Integrationsprozess zu beschleunigen, damit wir früh viel Zeit miteinander verbringen. Ich glaube, am Anfang waren es 17 Tage am Stück ohne einen freien Tag dazwischen. Aber die Zeit hat trotz der Intensität natürlich sehr viel Spaß gemacht. Die Arbeit mit den Jungs in der Kabine und auf dem Platz macht uns unheimlich viel Freude."
Wie sehr hat das frühe Trainingslager bei dem Integrationsprozess geholfen? Und welche Auswirkungen von der damaligen Zeit spürt Ihr noch heute?
Scherning: „Das Trainingslager war super. Einwandfrei organisiert und vor Ort an einem Top-Standort super Bedingungen gehabt. Hinzu kamen gute Testspiele und so war es für diesen ganzen Prozess der Integration und auch bei der Teamfindung eine gelungene Zeit. Aber ob wir jetzt davon immer noch zehren, wird sich natürlich auch in diesem Prozess zeigen, den ich angesprochen habe, dass wir jetzt auch ein wirkliches Team werden wollen. Es war ein wichtiger Teil dieser Sommervorbereitung, vielleicht sogar der zentralste Teil."
Die Wahrheit liegt immer auf dem Platz, das weiß jeder, der mit Fußball zu tun hat. Dort habt Ihr viele Stunden in vielen Einheiten verbracht, das muss man sagen. Welche inhaltlichen Zielsetzungen hattet Ihr Euch für die Sommervorbereitung auf die Fahne geschrieben?
Scherning: „Erstens Integration auf dem Platz. In der freien Zeit haben die Jungs schon sehr intensiv an ihren Laufplänen gearbeitet und dadurch auch eine gute Basis mitgebracht. Zu Beginn haben wir den Fokus auf die Basics gelegt, auf die der Spielphasen und auf Prinzipien, für die wir stehen wollen, die unabhängig von Systematiken sind. Trotzdem haben wir auch Abläufe und Grundstrukturen in der 3-1-4-2-Formation relativ früh trainiert, besprochen, analysiert und im Trainingslager absolut verfestigt. Dort sind wir auch schon mehr in Details mit reingegangen und haben den Schwerpunkt nach dem Trainingslager noch mal auf eine andere Systematik und auf die Viererkette im 4-3-3 gelegt. Es wird im Laufe einer Saison wichtig sein, dass wir ein bisschen variabler sind. In den vergangenen zwei Wochen und jetzt geht es natürlich darum, vor Schalke noch mal diesen Feinschliff zu bekommen, einfach noch mal detaillierter in den Abläufen zu trainieren und für Samstag bereit zu sein."
Du hast schon die Viererkette angesprochen, es war der sozusagen der zweite Block. Du hast das System dann teilweise in den Testspielen auch spielen lassen. Auf welchem Stand siehst Du Deine Jungs in dieser veränderten Formation?
Scherning: „Es war wichtig jetzt die Vorbereitung zu nutzen, um einfach nochmal ein anderes System eintrainieren zu lassen. Wir sind sehr gefestigt in unserer Grundstruktur, aber wir müssen und wollen einfach ein bisschen variabler sein. Wir wollen innerhalb eines Spiels umstellen können, sicher auch ein bisschen unberechenbarer für die Gegner werden und auch auf Spielsituationen anders reagieren können als vielleicht in der vergangenen Rückrunde."
Zehn Testspiele habt Ihr neben den vielen Trainingseinheiten absolviert, also auch viel die Wettkampfsituation trainiert. Zehn Partien, nur eine Niederlage. Ist das für Dich als Cheftrainer eine nette Randnotiz oder eher ein Beleg dafür, dass die Jungs in den Inhalten schon weit sind?
Scherning: „Beides. Es ist ein Beleg dafür, dass die Dinge, die wir besprochen haben und die wir jede Woche Tag für Tag versucht haben, mit den Jungs zu erarbeiten und zu trainieren, schon eine gewisse Wirkung gezeigt haben. Wir haben gute Testspiele absolviert ohne richtige Ausreißer nach unten. Und trotzdem sind es Stand jetzt nur Testspiele. Es ist dann vielleicht nur noch eine Randnotiz, die uns aber ein gutes Gefühl für den Saisonstart gibt. Wir wissen, dass wir uns jetzt neu beweisen müssen. Wir sind bereit für den Start, wir haben Bock drauf und eine große Vorfreude. Wohlwissend, dass es am Samstagabend auf Schalke eine ganz andere Art von Herausforderung ist als in den vergangenen Testspielen."
Ein großer Umbruch bedeutet ein verändertes Gesicht des Kaders. Auch einen veränderten Kapitän haben wir mittlerweile im Team. Ermin Bicakcic hat die Binde übernommen. Seine Stellvertreter sind Sven Köhler und Jannis Nikolaou. Was erhoffst du dir von Ermin als Kapitän und auch von dem Gremium Mannschaftsrat?
Scherning: „Ich erhoffe mir gar nicht so viele andere Dinge als die, die wir im letzten Jahr von Ermin bekommen haben. Er hat im vergangenen Jahr auch schon mitgeführt. Jannis war unser Kapitän und hat seine Sache sehr gut gemacht. Wir haben ein sehr stabiles Führungsgerüst gehabt. Trotzdem war im Zuge dieses Neustarts, den wir jetzt auch mit dem großen Umbruch hinlegen, der Moment für uns gekommen, vielleicht eine neue Entscheidung zu treffen. Wir haben uns dafür entschieden, Ermin mit seiner großen Erfahrung, mit seiner Persönlichkeit und auch seiner kommunikativen Fähigkeit zum Kapitän zu machen, auch wieder mit einem sehr starken Mannschaftsrat dahinter. Er hat auch betont, dass Führung für ihn keine One-Man-Show ist, sondern es ist ein Gesamtthema zwischen Mannschaft und auch dem Trainerteam."
Bekannt ist, dass unsere Kaderplanungen und Transferüberlegungen noch nicht abgeschlossen sind. Das soll aber nicht das Thema sein, sondern Ihr hattet jetzt als Trainerteam sechs lange Wochen Zeit, Euch intensiv mit dem Kader zu beschäftigen. Wie optimistisch gehst Du in die neue Spielzeit?
Scherning: „Wir haben immer betont, dass wir auf dem Transfermarkt immer die Augen und Ohren offen halten und wir sind Stand jetzt noch nicht komplett. Trotzdem ist es natürlich auch meine Aufgabe, die Mannschaft, die jetzt zur Verfügung steht, perfekt auf Schalke vorzubereiten. Ich weiß das es auch im Umfeld immer die eine oder andere Spekulation gibt, was noch passieren könnte. Wichtig ist mir jedoch zu betonen, dass wir absolutes Vertrauen in unseren bestehenden Kader haben. Wir haben uns ein bisschen anders aufgestellt, sind von der Gruppe her ein bisschen kleiner geworden. Wir haben uns auch ein Stück verjüngt, was dann auch notwendig war, diesen Altersdurchschnitt zu senken. Das war ein wichtiger Prozess für die nächsten Jahre von Eintracht Braunschweig und wir sind aktuell gut aufgestellt. Wir bereiten uns sehr gut vor und peilen auf Schalke definitiv auch einen positiven Saisonstart an."
Lass uns abschließend mal drüber sprechen, was passieren muss, damit du am Ende der kommenden Saison am 34. Spieltag sagst: Das war eine gute Saison.
Scherning: „Wir wollen ambitioniert sein und immer nach mehr Streben. Bei all diesem Ehrgeiz dürfen wir aber auch nicht vergessen, dass wir eben diesen großen Umbruch vollzogen haben und die nötige Geduld und eine gesunde Portion Demut brauchen. Fakt ist, dass die Basis für uns weiterhin der Klassenerhalt ist. Das hat sich nicht geändert. Wir haben uns mit der Mannschaft hingesetzt, genau über dieses Thema diskutiert und inhaltliche Ziele gesetzt, was unsere Struktur, unsere Art und Weise auch im Miteinander noch mal detaillierter bedeuten. Wir haben uns auch da ambitionierte Ziele, was unsere Position in dieser Liga betrifft, gesetzt. Wir haben es in den vergangenen Monaten geschafft, in einigen Bereichen top zu sein. Es gibt aber auch einige Bereiche, die wir einfach verbessern wollen, in denen wir uns auch durch die Transfers, die wir zum Sommer getätigt haben, einiges erhoffen. Ich freue mich auf eine spannende Zweitligasaison mit tollen Mannschaften, aber auch mit einer tollen Eintracht mit ganz viel Leidenschaft, Power und Dynamik auf dem Platz und von unseren fantastischen Fans auf den Rängen. Wenn wir es hinkriegen, diese Einheit weiterhin zu sein, die wir seit November waren, dann gibt es angenehmere Gegner als uns und dann werden wir unseren Platz in dieser tollen Liga finden."
Danke für Deine Zeit, Coach!