Meyer: "Ich spüre bei der Mannschaft Wut und Trotz"
Pressekonferenz vor dem Heimspiel gegen den FC St. Pauli
Am kommenden Wochenende startet für die Eintracht die erste von zwei aufeinander folgenden Heimpartien. Gegen den Tabellensiebzehnten FC St. Pauli will die Eintracht nach der Niederlage in Darmstadt vom vergangenen Spieltag wieder auf die Siegerstraße abbiegen. Bevor es für die Löwen aber am Samstag (Anpfiff: 13 Uhr) wieder auf den grünen Platz im EINTRACHT-STADION geht, waren Chef-Trainer Daniel Meyer und Defensivallrounder Danilo Wiebe auf der Pressekonferenz zu Gast. Dabei sprachen beide über…
…das Personal:
Meyer: “Die Reha-Gruppe wird immer kleiner. Niko Kijewski ist als Langzeitverletzter weiterhin raus. Leon Bürger konnte die ersten Laufeinheiten machen. Bei Nico Klaß, der an einer Schambeinentzündung laboriert, ist die Entwicklung nicht ganz so gut. Bei ihm müssen wir uns nochmal eine Zweitmeinung von einem Spezialisten einholen. Alle anderen Spieler konnten Großteile des Trainings wieder mitmachen.“
...einen Einsatz von Suleiman Abdullahi:
Meyer: “Wir müssen von Tag zu Tag schauen, ob es eine Reaktion im Knie gibt. Aktuell ist es noch so ein bisschen, wie in die Glaskugel gucken. Ich möchte da lieber keine Prognose wagen. Diese Woche war wirklich positiv. Wir hatten das Gefühl, dass er das Knie schon mehr belasten konnte. Es ist manchmal aber auch die Summe der Trainingseinheiten, die Spuren hinterlässt. Von daher ist das noch fraglich.“
…den Eindruck der Mannschaft:
Meyer: “Das Spiel in Darmstadt hat wehgetan. Wir hatten uns viel vorgenommen und waren nach dem frühen Doppelschlag an dem Tag nicht mehr in der Lage uns richtig rein zu kämpfen. Das Erlebnis hätten wir uns gerne erspart. Ich spüre bei der Mannschaft Wut und Trotz. Für uns ging es unter der Woche darum, das abzuschütteln und es vernünftig einzuordnen. Wir haben zu Recht Kritik einstecken müssen und sind gewillt die richtige Reaktion darauf zu zeigen. Die ganze Woche über war die Mannschaft sehr aufmerksam und engagiert. Für mich ist wichtig, dass keine Spur von Resignation da ist. Der Blick war relativ schnell auf das Spiel gegen den FC St. Pauli gerichtet.“
Wiebe: “Wir haben ein paar Tage gebraucht, um das Spiel richtig zu verarbeiten. Nach der Videoanalyse konnten wir damit abschließen. Insgesamt haben wir eine richtig gute Trainingswoche hingelegt und eine hohe Intensität in den Einheiten gehabt. Das wollen wir am Samstag auf den Platz bringen.“
…die Belastung der Spieler durch die Corona-Pandemie:
Wiebe: “Wir als Fußballer sind heilfroh, dass wir unseren Job ausüben dürfen. Andere Berufsgruppen dürfen das nicht. Das müssen wir jeden Tag auf den Platz transportieren. Als wir im Mai das erste Mal auf den Platz durften, hat es jeder Spieler einfach genossen, wieder auf dem Platz zu stehen und den Rasen zu riechen. Das war ein sehr schönes Gefühl. Wir müssen als gutes Vorbild für die Gesellschaft vorangehen. Natürlich ist es nicht so einfach, wenn man der Gesellschaft und den Teamkollegen gegenüber eine große Verantwortung hat. Es ist nicht schön, wenn man seine Familie nicht sehen kann, vor allem wenn sie nicht gerade um die Ecke wohnt. Das ist aber eine Last, die wir alle zu tragen haben. Eine große Rolle spielt das nicht. Wir als Team sind da von der Pandemie nicht ausgenommen.“
…mögliche Defensivumstellungen:
Meyer: “Es ist nicht einfach. Wir haben andere Prioritäten gesetzt, weil wir uns damit beschäftigen, wie wir das Spiel entwickeln wollen. Auch mit dem Negativerlebnis in Darmstadt im Rücken, wollen wir diesen Weg weiter gehen. Wir brauchen mehr Klarheit in den defensiven Aktionen. Es ist keine Systemfrage. Wir haben, was die Formation betrifft, in den vergangenen Spielen verschiedenste Dinge ausprobiert. Es bleibt allerdings dabei, dass wir grobe individuelle Schnitzer drin haben. Wir machen in Darmstadt in Zonen Fehler, in denen man keine Fehler machen sollte. Natürlich denken wir auch über personelle Konsequenzen nach und haben aber gleichzeitig nach dem KSC-Spiel den Fokus mehr auf die Defensive gelegt. Wir versuchen weiter Automatismen zu klären und die Jungs zu sensibilisieren.“
…die Torwartdiskussion:
Meyer: “Wir sind in einer Situation, in der wir grundsätzlich Dinge auf den Prüfstand stellen, auch in der Kommunikation mit den Jungs in der Defensive. Wenn wir irgendwann der Meinung sein sollten, dass ein Torwartwechsel einen Mehrwert hat, dann werden wir es machen. Gegen Darmstadt habe ich keinen Torwartfehler gesehen. Es gibt allerdings keinen Stein, den wir im Moment nicht umdrehen. Wir beschäftigen uns mit allen Themen.“
…mögliche Probleme mit der Spielphilosophie:
Meyer: “Ich finde nicht, dass die Spielphilosophie nicht passt. Auch vor der Saison hatten wir die steile These im Raum, dass wir auf dem Niveau nicht in der Lage sind, Tore zu erzielen. Mittlerweile haben wir gezeigt, dass wir gerade durch unsere Idee in der Ballbesitzphase und Raumaufteilung torgefährlich werden können. Wir kommen über gezielte Maßnahmen ins letzte Drittel. Gegen den KSC haben wir viele Situationen kreiert und trotz des Rückstandes viele Chancen gehabt. Den Jungs macht das Freude und wir haben auch damit Erfolgserlebnisse gehabt. Ballbesitzfußball hat auch immer etwas mit Erfolg zu tun und die vergangenen Ergebnisse haben geschmerzt. Wir sind weit davon entfernt die Situation unkritisch zu bewerten. Die Taktik war gegen Darmstadt nach sieben Minuten erledigt. Natürlich haben wir den Prozess im Auge, aber jetzt geht es darum Punkte zu sammeln. Egal wie unser Spiel dann aussieht. Mit unserer Spielidee können wir sicher die eine oder andere Geschichte kompensieren, in der uns vielleiht die Erfahrung oder durch Verletzungen die Qualität fehlt. Die Grundidee steht im Raum, aber wir haben die Schwerpunkte verschoben. Ich finde nicht, dass das System gescheitert ist."
…Wiebe’s Positionswechsel:
Wiebe: “Ich bin gelernter Mittelfeldspieler. Da habe ich meine gewohnten Abläufe und dort fühle ich mich am Wohlsten. Mit der neuen Position habe ich mich aber gut angefreundet. Ich habe besser reingefunden und konnte in vielen Spielen mit mehr Selbstvertrauen auftreten. Das will ich weiter auf dem Rasen zeigen. Wo ich am Ende spiele, ist mir eigentlich egal. Die Hauptsache ist, dass ich die Eigenschaften auf den Platz bringe, die der Trainer von mir verlangt.“
…das Verhindern der frühen Gegentreffer:
Wiebe: “Es ist immer schön, wenn man zu Null spielt. Das sollte das Ziel für die kommenden Spiele sein. Wir können Rückstände aufholen, das haben wir bewiesen. Es muss aber nicht immer sein. Wir können gerne auch mal ein 1:0-Sieg über die Zeit bringen. Am vergangenen Spieltag waren es individuelle Fehler. Wir müssen zusammen an einem Strang ziehen und uns da wieder rauskämpfen.“
…den FC St. Pauli:
Meyer: “Es ist schwierig die Hamburger richtig einzuschätzen. Timo Schultz ist auch erst seit Sommer da und es gab eine Vielzahl von Transfers. Sie haben bisher ein Auf und Ab erlebt und hatten eine andere Idee davon gehabt, wo sie sich tabellarisch wiederfinden wollen. Sie haben jetzt drei Niederlagen in Folge kassiert und stehen ähnlich wie wir unter Druck. In der Analyse kannst du nicht alle Spielvarianten aufzeigen, da es bei St. Pauli einfach zu viele Veränderungen gegeben hat. Dementsprechend müssen wir eher an unseren Themen arbeiten und am Samstag die Mannschaft sein, die sich aus der momentanen Situation befreit. “
…die Erwartungen an die Partie:
Meyer: “Wir können unsere Situation noch kontrollieren. Ich verweise gerne darauf, dass es bei uns darum geht, die Klasse zu halten. St. Pauli hat andere Ansprüche und sehr gute Transfers gemacht. Man sieht aber, dass es auch für etablierte Mannschaften nicht so einfach ist. Viele ringen aus den unterschiedlichsten Gründen um Stabilität. Im Grunde macht nicht nur die unterschiedliche Erwartungshaltung den Druck für St. Pauli größer, sondern auch die tabellarische Situation. Bei einem Sieg am Samstag wären sie schon vier Punkte hinter uns. Sie werden das mit aller Macht vermeiden wollen. Wir haben uns von Anfang an mit dem Druck auseinander gesetzt, das könnte ein minimaler Vorteil sein, da St. Pauli sicherlich eine andere Saisonplanung hatte.“
Wiebe: “Beide Mannschaften stehen nicht so gut da. Es kommt so ein bisschen darauf an, wer länger die Nerven behält und die Grundtugenden auf den Platz bringt. Wir müssen stabil bleiben und unsere Chancen nutzen.“
Fanfragen:
Jules93 möchte von Daniel Meyer wissen, welche Maßnahmen er und das Trainerteam ergriffen haben, um das Selbstvertrauen von den einzelnen Spielern wieder zu stärken.
Meyer: “Das Spiel war hart. Trotzdem muss man es im Gesamtzusammenhang der vergangenen Partien sehen, in denen wir immer wieder in Rückstand geraten sind. Die Mannschaft wehrt sich und kämpft dagegen an. Am Freitag war das leider nicht möglich. Das Team war einfach fassungslos, dass der Doppelschlag so früh passiert. Das musst du aber auch wieder abstreifen. Du kannst die Partie nicht einzeln auseinander nehmen. Wir haben bisher auf Negativerlebnisse immer wieder eine positive Reaktion gezeigt und haben jetzt das erste Mal zwei Mal am Stück verloren. Wir haben die Niederlage thematisiert, aber den Blick schnell nach vorne gerichtet. Den Frust vom vergangenen Wochenende wollen wir in Wut umwandeln und daraus dann positive Energie entwickeln.“
xCeNety möchte von Daniel Meyer wissen, wie man daran arbeitet, die frühen Gegentore zu verhindern und inwiefern sie den Matchplan beeinflussen?
Meyer: “Gegen Darmstadt war der Matchplan dahin. Für uns geht es künftig darum, wenig Situationen zu zulassen, in denen Dinge schief gehen. Wir sollten zudem versuchen, dem Gegner die Bälle nicht mehr hinzuspielen. Es braucht in unserem Spiel eine andere Geradlinigkeit und wir müssen die Sorglosigkeit ablegen. Es sind oft individuelle Aussetzer gewesen und da müssen wir zusehen, dass wir die auf ein Minimum reduzieren."