Vollmann: "Bei einem Algorithmus bleiben viele Daten außen vor"

Geschäftsführer Sport zum Thema Datenscouting

Nachdem bei der Mitgliederversammlung 2020 und in den vergangenen Wochen immer wieder das Thema „Scouting“ in den Fokus der Fans gerückt ist, stellt sich Peter Vollmann den zu klärenden Fragen. Im Gespräch mit eintracht.com erklärt der Geschäftsführer Sport der Löwen sein Bild vom viel diskutierten und relevanten Thema Datenscouting und sprach dabei insbesondere über…

…das Scouting der Eintracht:

Vollmann: “Das ist natürlich ein sehr sensibler Bereich, der auch so behandelt wird. Tatsache ist, dass wir schon seit Jahren mit den Plattformen arbeiten, an denen sich auch die Bundesliga orientiert. Auf den genutzten Plattformen steht europaweit entsprechendes Material über jeden einzelnen Spieler zur Verfügung. Das machen wir auch nicht erst seit gestern. Das ist etwas, das auch gemacht werden muss, um Sicherheit zu bekommen. Es sind aber auch erstmal nur Zusatzinformationen. Die Daten werden mit einem Algorithmus generiert. In verschiedenen anderen Branchen, wie zum Beispiel der Finanzwirtschaft, macht ein Algorithmus auch nicht immer alles richtig. Insgesamt können wir uns daran orientieren. Die letzten Daten liefert uns das aber nicht, sondern die müssen wir uns selbst erarbeiten. Letztendlich muss man auch ein gutes Gefühl für den Spieler und die Situation haben und die eigene Mannschaft gut kennen.“

…die Probleme des Scoutings:

Vollmann: “Erkundigt man sich nach einem Spieler für eine bestimmte Position, hat man innerhalb von wenigen Tagen 50 Angebote der Berater auf dem Tisch. Alleine die schon alle auszuwerten, ist fast unmöglich. Da lege ich mich mit dem Trainer auf eine kleinere Gruppe fest, die wir ernsthaft in Betracht ziehen und an denen wir uns orientieren. Der Algorithmus sagt einem zum Beispiel nicht, ob ein Spieler in einer Fünferkette und Viererkette spielen kann. Dazu kommt auch, dass wir nicht wissen, wie wichtig sein Nebenmann für ihn ist. Braucht er einen erfahrenen Spieler oder einen der viel spricht? Jemand Externes kann das eben nicht so gut einschätzen, weil er die Spieler persönlich gar nicht kennt. Bei dem Algorithmus bleiben viele Daten außen vor. Die persönlichen Gespräche sind ebenfalls nicht in den Daten enthalten. Was hat der Trainer oder ich für einen Eindruck von dem Spieler? Und fast noch wichtiger: Was hat der Spieler für einen Eindruck von uns, dem Verein oder der Mannschaft? Hinzu kommt die Frage, in welchem System er sich am besten integrieren kann. Das sind Daten, die beruhen auf dem Auge des Trainers und den Informationen, die uns eine Live-Beobachtung gibt. Ich finde das Thema ist richtig wichtig, aber man muss auch diese Aspekte kritisch beleuchten. Wenn die Daten oder der Algorithmus so perfekt wären, dann würde es ja keine Fehlverpflichtungen mehr geben. Das alles hilft uns schon sehr weiter, aber es gibt eben eine letzte Zone, in der signifikante Informationen fehlen.“

…die Kompensation der fehlenden Scouting-Abteilung:

Vollmann: “Natürlich nutzen wir Daten und das Videomaterial. Unser System beinhaltet immer eine eigene und eine Fremdanalyse. Aktuell schränkt uns die Pandemie natürlich ein, da müssen wir auf Live-Bilder achten. Wenn es möglich ist, sind der Trainer und auch ich am Wochenende unterwegs und schauen uns Spiele an. Wir müssen das sehr konzentriert machen, weil wir nicht über diese Abteilung verfügen. Leider fehlen uns dafür eben die finanziellen Mittel. Wir müssen uns damit arrangieren, dass wir in diesem Bereich selber einen hohen Aufwand betreiben müssen. Es ist unumgänglich, sich dabei auf die wesentlichen Dinge zu fokussieren. Daher folgt die Eingrenzung der Spieler auf eine kleinere Anzahl, die man abarbeiten kann.“

…den Indikator für einen Spielertransfer:

Vollmann: “Da gibt es im Grunde zwei Personen, die bei einem guten Gefühl ein Indikator für die Verpflichtung von einem Spieler sind. Vorrangig der Trainer, aber natürlich auch ich als Geschäftsführer Sport. Außerdem haben wir mit Tobias Rau einen erfahrenen Mann im Aufsichtsrat sitzen, der auf hoher Ebene Einschätzungen abgibt. Wir werden dabei auch keinen Spieler verpflichten, von dem der Trainer überzeugt ist, bei dem ich aber meine Zweifel habe. Es wird versucht ein gemeinsames Bild zu erzeugen und sich auf einen gemeinsamen Konsens zu einigen. Das Gefühl entscheidet dann, ob wir denken, dass das sportlich und menschlich ein Spieler ist, den wir in der Mannschaft benötigen.“

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